Ostallgäu & Königswinkel

Falkenstein: Deutschlands höchstgelegene Burgruine und Ludwigs letzter Traum

Es ist dieser Mix aus harter Realität und weicher Träumerei, der den Falkenstein besonders macht. Ludwig II. hat hier seinen letzten Traum geträumt, und irgendwie spürt man das noch heute zwischen den alten Steinen.

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Zwischenablage

Es zieht. Fast immer. Wenn du auf 1.268 Metern stehst, pfeift dir der Allgäuer Wind ziemlich ungebremst um die Ohren, und genau das macht den Reiz aus. Wir befinden uns auf dem Falkenstein bei Pfronten. Man liest oft, es sei die höchstgelegene Burgruine Deutschlands. Ob das nun auf den Meter genau stimmt oder ob irgendein Steinhaufen in den Alpen noch drei Meter höher liegt, ist eigentlich wurscht. Fakt ist: Es fühlt sich verdammt hoch an. Der Blick fällt nicht einfach nur ins Tal, er stürzt förmlich hinab. Unten im Tal sieht Pfronten aus wie eine Modelleisenbahn, die jemand im Gras vergessen hat, während gegenüber der Aggenstein und der Breitenberg ihre Felswände in die Höhe schieben, als wollten sie angeben.

Wer hier heraufkommt, sucht meistens zwei Dinge: den Weitblick und diese seltsame Melancholie, die Orte umgibt, an denen Großes geplant war, aber nur Fragmente übrig blieben. Es riecht nach Fichtennadeln und feuchtem Kalkstein. Anders als bei den polierten Touristenmagneten im Ostallgäu trittst du hier auf unebenen Boden. Kein glatter Asphalt, sondern Schotter und Fels. Man muss schon ein bisserl aufpassen, wo man hintritt.

Eine Festung gegen den gesunden Menschenverstand

Bevor wir zum "Kini" kommen, müssen wir einen Blick zurückwerfen, denn die Ruine war schon da, lange bevor Ludwig II. seine Baupläne ausrollte. Hochmittelalter. Das war eine Zeit, in der Lage alles war und Komfort nichts. Bischof Ulrich von Augsburg soll den Bau im 11. Jahrhundert initiiert haben, oder zumindest die Sicherung der Grenze. Die Burg Falkenstein war eine Machtdemonstration, ein steinerner Mittelfinger gegen die Tiroler Nachbarn und diverse Raubritter. Man fragt sich unweigerlich, was das für eine Schinderei gewesen sein muss. Jeden einzelnen Stein, jeden Sack Mörtel, jedes Fass Wein hier raufzuschleppen. Ohne Lastenaufzug, nur mit Muskelkraft und fluchenden Knechten. Wer hier oben Dienst schob, hatte im Winter die A-Karte gezogen. Kalt, dunkel, einsam. Da half auch der schönste Ausblick ins Vilstal nichts, wenn dir der Hintern am Abtritt festfror.

Im 17. Jahrhundert, gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges, fackelten die Tiroler die Bude dann einfach ab. Strategische Entscheidung, hieß es. Damit sich die Schweden oder Franzosen dort nicht einnisten konnten. Seitdem: Verfall. Die Natur holte sich den Fels zurück, Bäume wuchsen aus den Resten der Schildmauer, und eigentlich wäre die Geschichte hier zu Ende gewesen, wenn nicht ein gewisser Wittelsbacher eine Vorliebe für dramatische Locations gehabt hätte.

Ludwigs letzter, gigantischer Traum

Jetzt wird es tragisch. Oder romantisch, je nachdem, wie man drauf ist. König Ludwig II. kaufte die Ruine 1883. Neuschwanstein war ihm mittlerweile zu voll, zu nah an der Zivilisation, zu gewöhnlich. Er wollte etwas Radikaleres. Ein Raubritterschloss sollte es werden, aber nicht historisch korrekt, sondern so, wie sich ein sensibler Monarch des 19. Jahrhunderts das Mittelalter erträumte: theatralisch, überladen, mystisch. Er engagierte Christian Jank, einen Theatermaler. Kein Architekt, wohlgemerkt, sondern ein Bühnenbildner. Das sagt eigentlich alles. Die Entwürfe, die Jank anfertigte, zeigen ein Gebäude, das Neuschwanstein wie eine Gartenlaube aussehen lässt. Spitze Türme, die physikalisch kaum möglich scheinen, Erker, Zinnen, alles in den Himmel ragend auf diesem schmalen Felskopf.

Ludwig wollte hier oben eine Schlafstätte, die von künstlichen Sternenhimmeln beleuchtet wird, und Mosaikböden, die Geschichten erzählen. Eine Wasserleitung wurde tatsächlich schon gelegt, und eine Straße in den Fels gesprengt. Es war alles bereit für den Startschuss. Doch dann kam das Jahr 1886. Der König starb im Starnberger See, und mit ihm starb das Projekt Falkenstein. Sofort. Die Bauarbeiten wurden eingestellt, kaum dass der Leichenwagen angerollt war. Was bleibt, ist die Frage: "Was wäre wenn?" Wenn man heute in der kleinen Ausstellungsruine steht und sich die Skizzen ansieht, bekommt man Gänsehaut. Nicht vor Kälte, sondern wegen der schieren Unmöglichkeit dieses Bauwerks. Es wäre ein bayerisches Gormenghast geworden.

Der Weg nach oben: Schweiß oder Maut?

Wie kommt man nun hinauf zu diesem Ort der geplatzten Träume? Da gibt es zwei Philosophien. Die Puristen schnüren unten in Pfronten-Meilingen die Wanderstiefel. Der Weg führt durch das dunkle, kühle Tal der Faule Ache, vorbei an der Mariengrotte. Dann geht es "gach" bergauf, wie der Allgäuer sagt – also steil. Ziemlich steil. Der Pfad windet sich durch den Bergwald, Wurzeln kreuzen den Weg, und man kommt ordentlich ins Schnaufen. Das ist ehrlich erarbeiteter Schweiß. Man braucht so etwa eineinhalb Stunden, wenn man halbwegs gut zu Fuß ist. Der Vorteil: Du hast Zeit, runterzukommen, bevor du oben ankommst. Der Wald schluckt den Lärm der Welt.

Die andere Fraktion nimmt das Auto. Es gibt eine Straße bis fast ganz nach oben zum Burghotel. Die ist allerdings mautpflichtig und so schmal, dass man bei Gegenverkehr schon mal die Luft anhalten muss. Eine Ampel regelt das Gröbste, aber wenn dir der Postbus entgegenkommt, wird’s kuschelig. Oben parkt man dann bequem und läuft nur noch fünf Minuten zur Ruine. Für Faule? Vielleicht. Aber praktisch, wenn man einfach nur zum Sonnenuntergang noch schnell rauf will.

Zwischen alten Mauern und neuem Stahl

Betrittst du heute das Areal der Burgruine, stehst du erst mal vor einer modernen Konstruktion. Um die bröckelnden Mauern zu sichern und begehbar zu machen, wurde eine Art stählerne Aussichtsplattform hineingebaut. Manche finden, das verschandelt die Historie, aber seien wir ehrlich: Ohne das Ding würde man nur im Gestrüpp stehen und nichts sehen. Man kann jetzt in das Innere des Hauptgebäudes gehen, wo eine kleine, aber feine Ausstellung untergebracht ist. Da hängen sie, die Pläne von Jank. Und ein Modell. Es wirkt fast grotesk, dieses Zuckerbäcker-Schloss-Modell inmitten der rauen, nackten Steinreste zu sehen.

Besonders schön ist der Blick durch die alten Fensteröffnungen. Sie rahmen die Landschaft ein wie Gemälde. Man sieht hinüber zur Burgruine Hohenfreyberg und Eisenberg – die zwei anderen Wächter der Region. Bei gutem Wetter – und das ist im Allgäu ja so eine Sache, manchmal regnet es auch einfach drei Tage waagerecht – siehst du bis zum Forggensee, der wie ein türkisfarbener Klecks in der Landschaft liegt. Und ja, ganz klein, fast niedlich, erkennt man in der Ferne Neuschwanstein. Von hier oben betrachtet wirkt das Märchenschloss des Königs seltsam unbedeutend. Vielleicht war genau das Ludwigs Absicht: auf alle herabzublicken, auch auf sein eigenes Werk.

Einkehr mit Weitblick

Direkt unterhalb der Ruine klebt das Burghotel Falkenstein am Fels. Das ist kein alter Schuppen, sondern mittlerweile ein gehobenes Hotel mit Restaurant. Die Terrasse ist der Wahnsinn. Wenn du hier sitzt, ein Radler oder einen Kaffee vor dir, und die Sonne langsam hinter den Tannheimer Bergen verschwindet, dann ist das Leben schon ziemlich in Ordnung. Die Preise sind – sagen wir mal – der Höhenlage angepasst, aber man zahlt halt für das Panorama mit. Es lohnt sich, hier eine Pause zu machen, bevor man den Abstieg antritt.

Übrigens, wer hier oben übernachtet, erlebt nachts eine Stille, die in Deutschland selten geworden ist. Wenn der Wind mal Pause macht, hört man absolut nichts. Nur das eigene Blut in den Ohren rauschen. Oder vielleicht doch das Seufzen eines Königs, der hier nie einziehen durfte? Okay, das war jetzt doch wieder etwas kitschig. Streichen wir das.

Praktische Tipps für den Besuch

Damit der Ausflug kein Reinfall wird, hier noch ein paar handfeste Ratschläge:

  • Schuhwerk: Flip-Flops sind eine dumme Idee. Auch wenn du mit dem Auto hochfährst. Der kurze Weg zur Ruine ist steinig und uneben. Zieh gescheite Schuhe an.
  • Kleidung: Nimm eine Jacke mit. Auch im Hochsommer. Da oben zieht es wie Hechtsuppe, sobald die Sonne weg ist. Das Wetter im Allgäu schlägt schnell um.
  • Zeitpunkt: Am Wochenende ist die Parkplatzsituation oben oft chaotisch. Wenn du kannst, komm unter der Woche oder am späten Nachmittag. Das Licht ist dann eh besser für Fotos.
  • Maut: Kleingeld bereithalten oder Karte, die Schranke unten verzeiht keine Fehler.

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