Ostallgäu & Königswinkel

Der Lechfall im Ostallgäu: Zwölf Meter hohe Naturgewalt auf türkisgrün

Zwölf Meter stürzt sich der Lech über fünf Stufen in eine enge Schlucht. Das türkisfarbene Wasser tost, die Gischt spritzt, und auf einer Brücke mittendrin stehen Besucher zwischen Naturgewalt und Ingenieurskunst. Ein Ausflug, bei dem Sagen, Könige und ein Wasserkraftwerk aufeinandertreffen.

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Zwischenablage

Der Lechfall ist kein naturgewachsenes Spektakel. Das, was du heute siehst, ein Stück Ingenieurskunst aus dem 18. Jahrhundert. Zwischen 1784 und 1787 wurde das Stauwehr gebaut, gemeinsam mit einem Ableitungsstollen. Die fünf steinernen Stufen sollten den Lech zähmen, Mühlen und Hammerwerke antreiben und den Holztransport erleichtern. Vorher gab es zwar auch einen Katarakt an dieser Stelle, aber deutlich weniger beeindruckend. Die Erbauer machten aus einem natürlichen Gefälle ein echtes Schauspiel.

Rund zwölf Meter hoch ist die Kaskade insgesamt. Das Wasser drängt sich über die gesamte Breite des Flusses, tosend und schäumend. Nach starken Regenfällen oder während der Schneeschmelze im Frühjahr wird die Show richtig wild. Dann verschwinden die einzelnen Stufen fast unter den Wassermassen. An ruhigeren Tagen siehst du dagegen jede Kante klar und deutlich. Das türkisfarbene Wasser des Lechs kommt hier richtig zur Geltung – eine Mischung aus Mineralien und eiskalten sechs Grad Wassertemperatur im Jahresmittel.

Die Lechschlucht: Gegraben von einem Gletschersee

Unterhalb des Wasserfalls beginnt die Lechschlucht, und die ist definitiv nicht von Menschenhand gemacht. Vor ungefähr 12.000 Jahren, am Ende der Würmeiszeit, schmolz der Lechgletscher. Das Schmelzwasser bildete einen riesigen See, der sich bis nach Pfronten erstreckte – den sogenannten Pfrontener See. Am tiefsten Punkt des Beckenrandes, genau dort wo heute der Lechfall liegt, fand das Wasser seinen Weg ins Füssener Becken. Anfangs ging's etwa 100 Meter tief hinunter. Über Jahrtausende grub sich der Lech durch das Kalk- und Dolomitgestein und schuf diese enge, beeindruckende Klamm.

Ob die Stadt Füssen tatsächlich nach dieser Schlucht benannt ist, darüber streiten sich die Gelehrten bis heute. Das lateinische Wort "fauces" bedeutet jedenfalls Schlund oder Schlucht, und der Name würde passen. So oder so: Die Schlucht ist bis heute die einzige in den bayerischen Alpen, in der ein Alpenfluss noch ungehindert fließen kann. Das macht sie zu einem echten Naturdenkmal.

Der König-Max-Steg: Mittendrin im Getöse

Die beste Stelle, um den Lechfall zu erleben, ist der König-Max-Steg. Die Brücke führt direkt über den Wasserfall und bietet in beide Richtungen spektakuläre Ausblicke. Nach Süden siehst du die fünf Stufen, über die sich das Wasser stürzt. Nach Norden öffnet sich der Blick in die tiefe Lechschlucht, wo der Fluss zwischen steilen Felswänden weiterfließt. Man spürt die Kraft des Wassers, hört das Rauschen und sieht manchmal Gischt aufsteigen. An sonnigen Tagen glitzert das Wasser geradezu magisch.

Der Steg wurde erstmals 1895 gebaut, zu Ehren von König Maximilian II., dem Vater des Märchenkönigs Ludwig II. Der bayerische Monarch war öfter in Füssen unterwegs und liebte die Landschaft am Lech. Nach seinem Tod stellten die Füssener ihm 1866 eine Marmorbüste auf, die bis heute in einer Felsnische direkt über der Klamm sitzt. 2015 musste die Brücke komplett saniert werden. Der alte Steg von 1957 war den modernen Anforderungen nicht mehr gewachsen, besonders nach dem Jahrhunderthochwasser 2005. Der neue Maxsteg liegt jetzt 90 Zentimeter höher und ist deutlich stabiler. Optisch sieht er dem historischen Vorgänger aber zum Verwechseln ähnlich, damit der Charakter erhalten bleibt. An den Geländern hängen übrigens jede Menge Liebesschlösser.

Magnustritt: Legende oder geologisches Kuriosum?

Ein paar Meter flussabwärts vom Lechfall, auf einem Felsen am Ufer, liegt der sogenannte Magnustritt. Das ist eine schuhförmige Vertiefung im Gestein, die angeblich der Fußabdruck des Heiligen Magnus sein soll. Der Legende nach sprang Magnus im 8. Jahrhundert hier über die Lechschlucht, als er vor heidnischen Verfolgern floh. Sein Fußabdruck blieb im Fels zurück. Ganz in der Nähe steht ein schmiedeeisernes Kreuz aus dem Jahr 1626 – oder 1730, je nachdem, welcher Quelle man glaubt.

Bis 1920 gab es tatsächlich Wallfahrten zum Magnustritt. Das Regenwasser, das sich in der Vertiefung sammelte, sollte gegen Augenleiden und andere Beschwerden helfen. Forscher wie Alfred Weitnauer haben später aufgedeckt, dass es sich wahrscheinlich um eine versteinerte Riesenauster handelt, die durch Verwitterung diese Form angenommen hat. Aber für manche bleibt der Magnustritt trotzdem ein magischer Ort. Beschildert ist er nicht, man muss schon gezielt danach suchen und über einen Felsen klettern. Das eiserne Kreuz ist dabei die beste Orientierung.

Vom Holzflößer zum Wasserkraftwerk

Der Lech war schon immer ein Arbeitsfluss. Im Mittelalter flößten die Füssener Holz und Handelswaren flussabwärts bis zur Donau. Die Durchfahrt durch die Lechschlucht war allerdings lebensgefährlich und forderte viele Opfer. Mit dem Bau des Stauwehrs 1784 bis 1787 war damit Schluss – das Flößen durch die Schlucht wurde unmöglich. Seit 1903 wird die Wasserkraft am Lechfall zur Stromerzeugung genutzt. Das Kraftwerk arbeitet bis heute und ist ein wichtiger Energielieferant für die Region.

Der Forggensee, der 1954 durch Aufstauung des Lechs entstand, dient als Kopfspeicher für die Kraftwerkstreppe flussabwärts. Er reguliert den Wasserfluss und spielt eine wichtige Rolle beim Hochwasserschutz. Das zeigte sich besonders beim Jahrhunderthochwasser am 23. August 2005, als innerhalb von nur 36 Stunden 235 Millimeter Regen im Bezirk Reutte fielen. Der Lech führte damals 1.350 Kubikmeter Wasser pro Sekunde – mehr als je zuvor in Füssen gemessen. Dank des Forggenseespeichers konnten größere Schäden in den umliegenden Gemeinden verhindert werden. Der Lechfall selbst war in den Fluten völlig verschwunden.

Anreise und praktische Tipps

Von der Füssener Altstadt aus erreichst du den Lechfall zu Fuß in etwa 15 bis 20 Minuten. Der Weg ist flach und gut ausgeschildert, also auch für Familien mit Kindern oder ältere Leute kein Problem. Wer mit dem Auto kommt, findet direkt neben dem Wasserfall an der Tiroler Straße einen kleinen Parkplatz mit etwa zwölf Stellplätzen. Der ist oft voll, aber in der Füssener Innenstadt gibt es genügend Alternativen. Von dort aus kannst du dann gemütlich zum Lechfall spazieren und gleich noch die Altstadt mitnehmen.

Direkt beim Lechfall gibt es ein Toilettenhäuschen. Wer mit dem Rollstuhl unterwegs ist, hat seit 2015 eine barrierefreie Aussichtsplattform oberhalb des Maxstegs zur Verfügung. Die liegt etwas höher als der Steg selbst und bietet ebenfalls einen guten Blick auf den Wasserfall. Der Maxsteg dagegen ist nur über Stufen erreichbar.

Rundweg und Kombinationen

Der Lechfall Rundweg ist etwa drei Kilometer lang und hat kaum Höhenunterschiede. Du kannst ihn locker in einer Stunde gehen, je nachdem, wie oft du stehen bleibst und Fotos machst. Der Weg führt vom Lechfall durch Bad Faulenbach zurück zur Füssener Altstadt oder umgekehrt. Wer mehr Zeit hat, kann den Ausflug mit dem Kalvarienberg kombinieren, einem Aussichtspunkt oberhalb von Füssen mit tollem Blick auf die Stadt und die Umgebung.

Auch längere Wanderungen sind möglich. Vom Lechfall aus führen Wege zum Alatsee, einem idyllischen Bergsee mit mystischen Geschichten. Die Drei-Seen-Tour verbindet Mittersee, Obersee und Alatsee auf einer gut viereinhalb Stunden dauernden Wanderung. Oder du folgst dem Lechweg, einem Fernwanderweg, der durch Tirol und Bayern führt und insgesamt rund 120 Kilometer lang ist. Füssen liegt dabei ziemlich weit hinten, nahe am Ende des Weges.

Wann lohnt sich der Besuch?

Ehrlich gesagt: Der Lechfall ist zu jeder Jahreszeit sehenswert. Im Frühling, wenn die Schneeschmelze einsetzt, tobt das Wasser besonders wild. Im Sommer leuchtet das türkisfarbene Wasser am schönsten, vor allem bei Sonnenschein. Im Herbst färben sich die Wälder rund um die Schlucht bunt, und im Winter verwandelt sich die Landschaft in eine stille, verschneite Szenerie. Dann funkelt der Schnee auf den Felsen wie Diamanten, und das Wasser fließt in einer fast surrealen Ruhe.

Nach starkem Regen lohnt sich ein Besuch besonders, denn dann zeigt der Lech seine volle Kraft. Allerdings kann das Wasser dann auch etwas trüber sein. An trockeneren Tagen ist die Farbe intensiver. Das hängt eben davon ab, wonach dir der Sinn steht – Naturgewalt oder Postkartenmotiv.

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