Wenn du im Allgäu unterwegs bist, hast du meistens das Gebimmel der Kuhschellen im Ohr. Das ist der Soundtrack der Region, klar. Aber wenn du mal genau hinhörst, am Waldrand stehen bleibst und die Luft anhältst, mischt sich ein tieferes, beständiges Brummen darunter. Es sind nicht die Kühe, es sind die heimlichen Arbeiter, die dafür sorgen, dass die Wiesen hier überhaupt so unverschämt bunt blühen. Die Imkerei hat im Allgäu eine Tradition, die fast so alt ist wie die Berge selbst, auch wenn sie oft im Schatten der Milchwirtschaft steht. Dabei ist gerade der Allgäuer Waldhonig eine Delikatesse, für die Kenner weit fahren. Er ist dunkel, fast schwarz manchmal, zähflüssig und schmeckt malzig-würzig, so gar nicht nach der süßen Plörre aus dem Supermarkt.
Es lohnt sich, die Perspektive zu wechseln. Weg vom Kuhstall, hin zum Bienenstock. Wir haben uns auf den Weg gemacht, um den Leuten über die Schulter zu schauen, die den Rauchbläser bedienen und keine Angst vor tausenden stachelbewehrten Insekten haben. Dabei lernst du schnell: Imker sind ein ganz eigener Menschenschlag. Ruhig, bedächtig – Hektik funktioniert bei Bienen nicht, das gibt sofort Quittung – und oft mit einem trockenen Humor gesegnet.
Seeg: Wo das ganze Dorf nach Honig duftet
Man muss das Rad nicht neu erfinden, aber in Seeg haben sie dem Thema Biene zumindest einen ziemlich großen Rahmen verpasst. Das Dorf nennt sich selbstbewusst das erste „Honigdorf Deutschlands“. Das klingt erst mal nach Marketing, aber wenn du vor der Erlebnisimkerei stehst, merkst du, dass da Substanz dahinter ist. Das Gebäude ist das Herz der ganzen Operation. Rund 220 Quadratmeter haben sie hier der Welt der Apis mellifera gewidmet. Es ist kein staubiges Museum, wo man nur alte Bienenkörbe anguckt, sondern eine ziemlich lebendige Angelegenheit.
Der Clou ist das Schaubienenhaus. Du stehst dort, nur durch Glas getrennt, und guckst direkt in das organisierte Chaos eines Bienenvolkes. Man sieht die Königin (meistens markiert, sonst findest du die nie), die Drohnen und die Arbeiterinnen, wie sie rein- und rausflitzen. Bei den Führungen erklären sie dir nicht nur, wo beim Bienenstachel vorne und hinten ist, sondern gehen tief in die Materie: Navigation, Bestäubung und warum es ohne diese kleinen Brummer auf unseren Tellern verdammt leer aussehen würde. Es riecht hier intensiv nach Wachs und Propolis, dieser harzige Geruch, der sofort in die Nase steigt.
Nach der Theorie kommt die Praxis, und die findet im Bienchen-Shop statt. Hier kannst du dich durch das Sortiment probieren. Spannend ist dabei, dass du den Unterschied zwischen einem Frühtracht- und einem Sommerhonig wirklich schmeckst, wenn du sie direkt hintereinander auf dem Löffel hast. Für Familien ist Seeg ein Selbstläufer, weil sie das Thema aus dem Haus rausgezogen haben. Draußen gibt es einen Bienen-Erlebnispfad und einen Spielplatz, der das Thema aufgreift. Man kann hier gut und gerne einen halben Tag vertrödeln, ohne dass Langeweile aufkommt. Ein wichtiger Punkt: Check die Öffnungszeiten vorher. Die Bienen arbeiten zwar immer, die Imkerei hat aber saisonale Fenster.
Adresse:
Erlebnisimkerei im Honigdorf Seeg
Hauptstraße 66, 87637 Seeg
Blaichach: Schnapsidee oder Geniestreich?
Weiter geht die Tour ins Oberallgäu, hinein in den Naturpark Nagelfluhkette. Die Landschaft wird hier schroffer, die Täler enger. In Blaichach, genauer gesagt im Ortsteil Altmummen, steht „Der Bienenkorb“. Das Konzept hier ist etwas handfester, vielleicht auch ein bisschen rustikaler. Es ist eine Mischung aus Schauimkerei, Hofladen und Gastronomie. Was sofort auffällt: Hier gibt es nicht nur Süßes, sondern auch Hochprozentiges. Die Kombination aus Honig und Schnaps wird hier ziemlich offensiv gefahren, was ja durchaus Sinn ergibt – beides sind veredelte Naturprodukte.
Das Team betreut rund 200 Völker. Das ist schon eine Hausnummer, da hast du im Sommer ordentlich zu tun. Bei den Führungen nehmen sie dich mit raus. Du bekommst Einblicke in die Völkerführung, die weit über das Schulwissen hinausgehen. Besonders interessant wird es, wenn es um den Waldhonig geht. Viele wissen ja gar nicht, dass Waldhonig gar nicht aus Blütennektar besteht, sondern aus Honigtau. Das sind, ganz platt gesagt, die Ausscheidungen von Blattläusen und Rindenläusen, die von den Bienen eingesammelt werden. Klingt erst mal eklig, schmeckt aber sensationell würzig und enthält massig Mineralstoffe. Genau diesen herben Kontrast zum lieblichen Blütenhonig arbeiten sie hier sensorisch heraus.
Am Ende der Führung gibt es für jeden Teilnehmer ein Glas Honig mit nach Hause. Das ist ein kluger Schachzug, denn wer den Geschmack erst mal zu Hause hat, kommt meistens wieder. Die Gaststube vor Ort lädt zum Versacken ein – gerade wenn das Allgäuer Wetter mal wieder seine launische Seite zeigt und es draußen schüttet wie aus Kübeln.
Adresse:
Der Bienenkorb
Altmummen 18a, 87544 Blaichach
Vom Wandern und Schleudern: Maierhöfen und Leutkirch
Imkerei ist eigentlich Sesshaftigkeit. Der Stock steht, die Biene fliegt. Aber nicht immer. Die „Allgäuer Wanderimkerei“ trägt das Prinzip schon im Namen. Manchmal muss man dem Nektar eben hinterherreisen. Der Betrieb hat seinen Sitz in Maierhöfen und legt extremen Wert auf die Reinheit. Pestizidfrei, naturbelassen, schonend erwärmt – das sind hier die Schlagworte. Das Thema „Erwärmung“ ist heikel: Wird Honig zu heiß, gehen die wertvollen Enzyme (die Inhibine) kaputt, und du hast nur noch teuren Zuckerbrei. Hier achten sie penibel darauf, dass der Honig „roh“ bleibt, also lebendig.
In Maierhöfen kannst du einen Blick auf die moderne Schleuder- und Abfüllanlage werfen. Das ist Technik pur und zeigt, dass Imkerei heute nicht mehr nur Romantik am Gartenzaun ist, sondern auch Lebensmitteltechnologie. Es blitzt und blinkt aus Edelstahl. Wer aber lieber probieren als gucken will, der fährt rüber nach Leutkirch ins „Allgäuer Honig Haus“. Das fungiert quasi als Showroom.
Hier haben sie eine Art Honig-Bar aufgebaut. Du kannst dich systematisch durch das Sortiment testen. Es ist verblüffend, wie unterschiedlich Honig schmecken kann, je nachdem, ob die Bienen auf einer Löwenzahnwiese im Mai oder im Tannenwald im August unterwegs waren. Das Personal hilft dir dabei, die feinen Noten herauszuschmecken – mal karamellig, mal minzig, mal blumig. Wer hier rausgeht, ohne ein Probierset unterm Arm, hat irgendwas falsch gemacht.
Adresse:
Allgäuer Wanderimkerei (Produktion)
Untersteig 3, 88167 Maierhöfen
Allgäuer Honig Haus (Verkauf/Showroom): Leutkirch im Allgäu
Der klassische Familienbetrieb in Oberstaufen
Oberstaufen ist ja so ein bisschen der mondäne Fleck im Allgäu, viel Wellness, viel Schrothkur. Mittendrin, in der Rothenfelsstraße, hält die Familie Schehle mit ihrem „Allgäuer Honigladen“ die Fahne der traditionellen Imkerei hoch. Das hier ist kein riesiges Erlebniszentrum, sondern ein ehrlicher Laden, der genau das tut, was er soll: guten Honig verkaufen.
Familie Schehle imkert selbst, und das merkt man der Beratung an. Wenn du fragst, warum der Honig dieses Jahr vielleicht etwas flüssiger ist als letztes, bekommst du eine Antwort, die mit dem Wetter, der Blütezeit und der Luftfeuchtigkeit zu tun hat. Neben den Klassikern wie Löwenzahnhonig (der ist knallgelb und kristallisiert schnell) findest du hier auch Spezialitäten. Gelee Royale zum Beispiel, der Futtersaft der Königinnen, oder Propolis, das Kittharz der Bienen, das als natürliches Antibiotikum gilt. Manchmal haben sie auch internationale Spezialitäten da, aber mal ehrlich: Wer im Allgäu ist, sollte beim Allgäuer Stoff bleiben. Durch die Ladenstruktur kannst du hier auch spontan reinspringen, mal den Finger in einen Topf halten (bildlich gesprochen, es gibt Probierlöffel) und dich eindecken. Sie sind auch oft auf Bauernmärkten zu finden, also Augen aufhalten.
Adresse:
Allgäuer Honigladen
Rothenfelsstraße 7, 87534 Oberstaufen
Sonthofen: Nahversorgung direkt vom Erzeuger
Zum Schluss noch ein Abstecher nach Sonthofen zur „Allgäuer IMKER GbR“ von Matthias Haug. Das repräsentiert eine andere Facette der Szene: den kleineren, lokalen Betrieb, der die Nahversorgung sichert. Hier gibt es keinen riesigen Touristenparkplatz, sondern Handarbeit. Der Fokus liegt klar auf der Produktion und dem direkten Verkauf. Das hat seinen ganz eigenen Charme.
Es ist diese Art von Betrieb, wo man klingelt und hofft, dass der Imker gerade nicht bei den Völkern ist. Offizielle Führungen und Wabenverkostungen sind hier eher individuelle Absprachen. Wenn du also wirklich tiefes Interesse hast und nicht nur das Standard-Touri-Programm willst, lohnt sich eine freundliche Anfrage vorab. Oft sind es genau diese kleinen Begegnungen, bei denen man am meisten lernt, weil der Imker sich Zeit nimmt, wenn er merkt, dass du es ernst meinst.
Die Lage in Sonthofen ist strategisch gut. Du bist schnell in den alpinen Seitentälern, und genau da kommen die Aromen her. Der Honig von Haug transportiert diese Landschaft. Es schmeckt nach Bergwiese, ein bisschen rau, aber herzlich. Da der Verkauf barrierefrei erreichbar ist, eignet sich das perfekt für einen schnellen Stopp, wenn man sowieso im Oberallgäu unterwegs ist, um die Vorräte für zu Hause aufzufüllen.
Adresse:
Allgäuer IMKER GbR
Hans-Strigel-Straße 39, 87527 Sonthofen