Oberallgäu & Allgäuer Alpen

Ein Sprung ins kalte Türkis: Baden unter der Skiflugschanze im Freibergsee

Der Freibergsee liegt versteckt im Wald, leuchtet fast schon unverschämt türkis und fordert deine Waden, bevor er dich abkühlt. Ein Ort, an dem Weltklasse-Sportarchitektur auf entspanntes Tretbootfahren trifft.

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Zwischenablage

Fangen wir mit der ungeschminkten Wahrheit an. Der Freibergsee ist kein Gewässer, an das man mal eben mit dem Auto ranfährt, die Tür aufreißt und das Handtuch in die Wiese wirft. Wer hier baden will, muss arbeiten. Zumindest ein bisschen. Meistens startet das Unterfangen am Parkplatz "Renksteg" am südlichen Ortsrand von Oberstdorf. Schon hier merkst du, dass du nicht allein bist, denn an schönen Tagen füllt sich der Schotterplatz schneller, als man "Bergkäse" sagen kann. Von dort aus führen verschiedene Wege nach oben, und "oben" ist hier wörtlich zu nehmen. Der See liegt auf rund 930 Metern Höhe.

Du hast die Wahl zwischen der asphaltierten Straße, die zwar bequem zu gehen, aber stellenweise steil und oft voll mit E-Bikern ist, und den Waldwegen. Ich empfehle den Weg über den Richterbichl. Er ist wurzeliger, schattiger und fühlt sich mehr nach Allgäu an als die Teerstraße. Man kommt ordentlich ins Schnaufen. Es ist dieser typische Mittelgebirgsanstieg, bei dem man sich nach zehn Minuten fragt, ob die Badehose im Rucksack das zusätzliche Gewicht wirklich wert ist. Doch genau dieser Anstieg sortiert das Publikum ein wenig. Wer nur schnell ein Foto für Instagram will und High Heels trägt, dreht oft auf halber Strecke um. Oben angekommen, klebt das T-Shirt vielleicht ein bisschen am Rücken, aber die Luft wird merklich frischer. Der Wald öffnet sich und gibt den Blick frei auf etwas, das in Deutschland eigentlich gar nicht so häufig vorkommt: eine Wasserfarbe, die man eher in der Karibik oder in Kroatien verorten würde.

Der stille Riese im Hintergrund

Bevor du das Wasser erreichst, schiebt sich aber noch etwas anderes ins Bild, und das ist der eigentliche Clou dieses Ortes. Die Heini-Klopfer-Skiflugschanze. Sie ist nicht einfach nur eine Sprungschanze, sie ist ein Architektur-Monster aus Beton und Stahl, das schief in den Himmel ragt wie ein Fingerzeig der Götter. Sie gehört zu den größten Schanzen der Welt. Wenn man im Sommer davorsteht, wirkt sie fast surreal, ein Relikt aus einer anderen Jahreszeit, deplatziert und doch faszinierend. Es lohnt sich, kurz innezuhalten und den Kopf in den Nacken zu legen. Stell dir vor, wie sich hier im Winter Menschen auf zwei Brettern in die Tiefe stürzen. Wahnsinn.

Der Turm ist auch für Besucher zugänglich, und wer schwindelfrei ist, kann mit dem Aufzug (oder zu Fuß, wenn die Waden noch nicht genug haben) nach oben fahren. Der Blick von dort oben in die Wanne des Freibergsees ist spektakulär. Man sieht die dunklen Flecken im Wasser, wo es tief wird, und die hellen Ränder, wo das Sediment leuchtet. Aber wir sind ja zum Baden hier, also lassen wir den Beton links liegen und wenden uns dem eigentlichen Star zu.

Das Naturbad: Holzplanken und Pommes-Duft

Der Zugang zum See erfolgt im Sommer fast ausschließlich über das Strandbad. Es gibt zwar rund um den See ein paar wilde Stellen, aber das Ufer ist steil, oft schlammig und naturschutzrechtlich ist das wilde Baden in den Schilfzonen sowieso tabu. Also zahlt man brav seinen Eintritt und betritt eine Welt aus verwittertem Holz. Die Anlage hat diesen charmanten, leicht altmodischen Charakter. Keine gekachelten Becken, kein Chlorgeruch. Stattdessen knarren die Bohlen unter den Füßen, und es riecht nach einer Mischung aus Fichtenharz, Sonnencreme und frittierten Kartoffeln aus dem Kiosk.

Das Wasser selbst ist eine Sache für sich. Es ist Quellwasser und Schmelzwasser, und das merkt man. Selbst im Hochsommer, wenn die Luft 30 Grad hat, klettert die Wassertemperatur selten weit über 22 oder 23 Grad. Der erste Schritt hinein ist oft ein Schock. Es zieht sich alles zusammen, der Atem stockt kurz. Ein "Hui, ist das zapfig!" hört man hier an jeder Ecke. Aber genau das ist der Kick. Nach dem schweißtreibenden Aufstieg wirkt das Wasser wie ein Reset-Knopf für den Kreislauf. Es ist so klar, dass man beim Schwimmen oft bis auf den Grund sehen kann, wo Baumstämme liegen wie versunkene Schiffe. Fische huschen vorbei, meistens Döbel oder kleine Barsche, die sich überhaupt nicht an den strampelnden Touristenbeinen stören.

Die Insel und der Sprung ins Nichts

Mitten im See schwimmt ein Floß. Es ist das soziale Zentrum des Gewässers. Wer es bis dorthin geschafft hat, darf sich erst mal in der Sonne aalen. Hier bekommt man die besten Gespräche mit: Einheimische, die über die Touristen lästern, Touristen, die über die Preise lästern, und Kinder, die einfach nur laut sind. Von der Insel aus hat man den besten Blick auf die Schanze. Sie spiegelt sich im Wasser, vorausgesetzt, niemand macht gerade eine Arschbombe.

Apropos Arschbombe: Es gibt einen Sprungturm. Natürlich aus Holz, passend zum Rest. Er ist nicht olympisch hoch, aber hoch genug, um ein bisschen Überwindung zu kosten. Das Geräusch, wenn jemand auf der Wasseroberfläche aufklatscht, hallt durch den ganzen Kessel. Der See liegt nämlich wie in einem Amphitheater, umgeben von Waldhängen, die den Schall zurückwerfen. Das Wasser ist hier tief, bis zu 25 Meter geht es in der Mitte hinunter. Diese Tiefe sorgt auch für die Farbe. Kalkhaltiges Gestein und wenig Algenbewuchs lassen das Licht so brechen, dass dieses fast künstlich wirkende Türkis entsteht.

Wenn der Magen knurrt

Nach dem Schwimmen kommt der Hunger. Das ist ein Naturgesetz. Das Restaurant Freibergsee thront etwas erhöht über dem Badebereich. Die Terrasse ist meistens brechend voll, und man muss Glück haben oder Geduld mitbringen, um einen Platz in der ersten Reihe zu ergattern. Kulinarisch darf man keine Haute Cuisine erwarten, aber das, was auf den Tisch kommt, ist solide Allgäuer Hausmannskost. Kässpatzen, Wurstsalat, Radler. Die Preise sind – sagen wir mal – der exklusiven Lage angepasst. Man bezahlt die Aussicht mit. Aber wenn man da sitzt, die Sonne langsam hinter den Bergkanten verschwindet und das Licht weicher wird, schmeckt das Bier einfach verdammt gut.

Eine kleine Beobachtung am Rande: Achte mal auf die Vögel hier. Da der See so nah am Wald liegt, trauen sich oft Greifvögel recht nah heran, und Enten sind sowieso omnipräsent. Es ist ein Naturbadesee im wahrsten Sinne des Wortes. Manchmal schwimmt ein Blatt im Mund, manchmal sticht eine Bremse. Das gehört dazu. Es ist kein steriler Pool.

Alternativen und der Rückweg

Wer absolut nicht laufen kann oder will, für den gibt es eine halbe Lösung. Mit der Söllereckbahn kann man ein Stück weit hinauffahren und dann auf einem Höhenweg zum See queren. Das spart Höhenmeter im Anstieg, ist aber immer noch ein Spaziergang. Ganz ohne Füße geht es nicht. Für Familien mit ganz kleinen Kindern im Kinderwagen ist der Weg über die Straße machbar, aber man braucht Oberarme aus Stahl, um den Wagen die steilen Stücke hochzuschieben. Runterzu muss man ihn gut festhalten.

Eine weitere schöne Option ist der Bootsverleih. Wenn das Wasser zu kalt ist, mietet man sich ein Ruderboot oder ein Tretboot. Es hat etwas ungemein Beruhigendes, über den See zu gleiten, fernab vom Trubel am Steg. Man kann in die hinteren Buchten rudern, wo es ruhiger ist und das Wasser noch dunkler wirkt. Hier sieht man oft Libellen, die wie kleine Hubschrauber über der Oberfläche stehen. Vorsicht ist nur bei Gewitter geboten. Im Gebirge zieht das Wetter schnell auf, und auf dem Wasser ist man dann auf dem Präsentierteller.

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