Oberallgäu & Allgäuer Alpen

400-Gipfel-Blick: Warum das Nebelhorn die beste Aussichtsplattform der Alpen ist

Das Nebelhorn bei Oberstdorf liefert das wohl beeindruckendste Alpenpanorama überhaupt. Von hier oben siehst du an klaren Tagen über 400 Gipfel in drei Ländern. Kein Aussichtsberg in den Alpen bietet mehr fürs Auge.

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Zwischenablage

Es gibt in den Alpen viele Berge mit guter Aussicht. Aber keiner dieser Berge kann mit dem mithalten, was das Nebelhorn zu bieten hat. Der 2.224 Meter hohe Gipfel oberhalb von Oberstdorf im Allgäu ist so etwas wie der heimliche Champion unter den Aussichtsplattformen. Über 400 Gipfel lassen sich von hier aus zählen, bei optimalen Bedingungen reicht der Blick von den Berner Alpen über die Zentralalpen bis zu den Dolomiten. Das ist keine Werbeübertreibung, sondern geografische Realität.

Die Besonderheit liegt in der Position des Nebelhorns. Der Berg steht ziemlich exponiert am nördlichen Rand der Allgäuer Alpen, sozusagen an der Grenze zwischen Voralpenland und Hochgebirge. Diese Lage sorgt dafür, dass der Blick nach Süden praktisch unverbaut ist. Gleichzeitig schaust du von hier aus über das sanft gewellte Alpenvorland bis zur Donau, manchmal sogar bis zur Schwäbischen Alb. Die Kombination aus dieser freien Sicht und der Höhe von gut 2.200 Metern macht den Unterschied.

Was du da oben wirklich siehst

An guten Tagen beginnt das Panorama im Westen mit dem Säntis und den Appenzeller Alpen. Dann schwenkt der Blick weiter zu den Berner Alpen, wo Eiger, Mönch und Jungfrau aufragen. Spannend ist dabei, dass diese Gipfel über 150 Kilometer entfernt liegen und trotzdem klar erkennbar sind. Weiter im Süden dominieren die Glarner Alpen und dahinter die gesamte Kette der Schweizer Viertausender. Die Mischabelgruppe mit dem Dom, das Weisshorn, sogar das Matterhorn lassen sich bei perfekter Fernsicht ausmachen.

Nach Südosten hin wird's dann richtig dicht. Die Ötztaler Alpen mit der Wildspitze, die Stubaier Alpen, die Zillertaler Alpen. Alles da. Die Ortler-Gruppe in Südtirol schließt sich an, gefolgt von den markanten Felsnadeln der Dolomiten. Manchmal, wenn die Luft besonders klar ist, kann man sogar den Großglockner erkennen. Das ist der höchste Berg Österreichs und liegt in den Hohen Tauern, mehr als 200 Kilometer östlich vom Nebelhorn.

Direkt vor der Nase liegen natürlich die Allgäuer Alpen selbst. Der Hochvogel mit seiner charakteristischen Form, die Mädelegabel, das Hochlicht. Alles Berge, die du von hier aus quasi in Augenhöhe betrachtest. Manche wirken zum Greifen nah, obwohl sie mehrere Kilometer entfernt sind. Die Perspektive macht was mit dir da oben.

Aufstieg oder Seilbahn? Beide Wege haben ihre Vorzüge

Die Nebelhornbahn bringt dich in zwei Sektionen vom Tal bis auf 2.224 Meter. Die erste Sektion startet in Oberstdorf-Schöllang und führt zur Mittelstation Seealpe auf 1.280 Meter. Von dort geht's weiter zur Station Höfatsblick auf 1.932 Meter und schließlich zur Gipfelstation direkt am Nebelhorngipfel. Die gesamte Fahrt dauert keine halbe Stunde. Bequem, keine Frage.

Aber zu Fuß hat das Ganze mehr Charakter. Mehrere Routen führen aufs Nebelhorn, die beliebteste ist wohl die von der Seealpe aus. Du kannst mit der ersten Sektion der Seilbahn zur Seealpe hochfahren und von dort in rund drei Stunden zum Gipfel wandern. Der Weg ist nicht besonders schwierig, aber es geht ordentlich bergauf. Fast 1.000 Höhenmeter liegen zwischen Seealpe und Gipfel. Die Route führt über den Seealpsee, ein kleines Gewässer, das im Sommer oft von Kühen bevölkert wird, dann weiter über Almwiesen und schließlich durch felsigeres Gelände.

Wer lieber gleich vom Tal aus losmarschiert, kann das natürlich auch tun. Von Oberstdorf aus sind es allerdings gut 1.700 Höhenmeter und etwa sechs Stunden Gehzeit. Das ist schon ein ordentlicher Brocken, macht aber Sinn, wenn du früh morgens oben sein willst und die Ruhe vor dem Seilbahnbetrieb genießen möchtest.

Oben angekommen: Was jetzt?

Die Gipfelstation ist keine wildromantische Berghütte, sondern ein modernes Gebäude mit Restaurant, Sonnenterrasse und allem Drum und Dran. Das mag puristischen Bergsteigern nicht gefallen, hat aber seinen Vorteil: Du kannst hier oben in Ruhe frühstücken oder zu Mittag essen, ohne dass dir der Wind die Brotzeit aus der Hand reißt. Die Terrasse ist verglast und bietet Schutz, wenn's mal bläst oder die Sonne zu stark wird.

Vom Gebäude aus führen mehrere Wege zu verschiedenen Aussichtspunkten. Der eigentliche Gipfel ist nur wenige Meter entfernt, dort steht das obligatorische Gipfelkreuz. Ein paar Meter weiter östlich gibt es eine Aussichtsplattform, die über den Fels hinausragt. Von dort blickst du fast senkrecht hinunter ins Oytal und auf die gegenüberliegenden Wände der Trettachspitze.

Interessant ist auch der Weg zum Nebelhorn-Nordwandsteig, einem kurzen Klettersteig, der entlang der Nordwand verläuft. Der ist nichts für Anfänger, aber mit entsprechender Ausrüstung und Erfahrung ein nettes Extra. Die meisten Besucher lassen das aber links liegen und konzentrieren sich aufs Schauen.

Wann ist die beste Zeit?

Hier wird's ein bisschen knifflig. Das Nebelhorn heißt nicht umsonst so. Nebel gibt's hier oben reichlich, vor allem im Herbst und Frühjahr. An trüben Tagen siehst du keine zehn Meter weit, geschweige denn 400 Gipfel. Die Sichtbedingungen sind entscheidend.

Grundsätzlich sind die Chancen auf klare Sicht im Herbst und Winter am besten, vor allem nach Kaltfrontdurchgängen. Wenn ein kräftiger Nordwind die Luft durchgeblasen hat, kann die Fernsicht atemberaubend sein. Im Sommer ist die Luft oft dunstig, gerade in den Nachmittagsstunden. Dann siehst du vielleicht 100 Kilometer weit, aber nicht die fernen Viertausender in der Schweiz.

Früh morgens ist es meist besser als mittags. Wenn du es einrichten kannst, nimm die erste Bahn hoch. Dann hast du nicht nur bessere Sicht, sondern auch deutlich weniger Leute auf dem Gipfel. Im Hochsommer kann es zur Mittagszeit ziemlich voll werden. Das Nebelhorn ist beliebt, entsprechend groß ist der Andrang.

Im Winter hat das Nebelhorn eine zweite Funktion als Skigebiet. Die Pisten sind ganz ordentlich, vor allem die lange Abfahrt von der Gipfelstation zur Seealpe. Aber auch dann lohnt sich der Ausblick. Schneebedeckte Gipfel bis zum Horizont, dazu die tiefstehende Wintersonne – das hat schon was.

Praktische Hinweise, die du kennen solltest

Die Nebelhornbahn fährt das ganze Jahr über, außer während der Revisionszeiten im Frühjahr und Herbst. Die genauen Betriebszeiten ändern sich saisonal, also vorher checken. Ein Ticket für die Berg- und Talfahrt kostet etwa so viel wie ein gutes Abendessen für zwei, aber das variiert je nach Saison und Ermäßigungen. Wenn du öfter hochfährst, lohnt sich eventuell eine Saisonkarte oder die Allgäu-Walser-Card, die freie Fahrten beinhaltet.

Auch im Sommer solltest du warme Kleidung dabeihaben. Oben kann es windig und kühl sein, selbst wenn unten im Tal 25 Grad herrschen. Eine Jacke, vielleicht Handschuhe – das klingt übertrieben, ist es aber nicht. Sonnencreme ist ebenfalls Pflicht, die UV-Strahlung auf über 2.000 Metern ist stärker als du denkst.

Fürs Fotografieren empfiehlt sich ein Teleobjektiv oder zumindest ein guter Zoom. Die fernen Gipfel wirken mit dem Smartphone-Weitwinkel ziemlich klein. Wenn du ernsthaft Panoramaaufnahmen machen willst, solltest du ein Stativ mitbringen. Der Wind kann stark sein, und Verwacklungen ärgern dich hinterher.

Alternativen und Kombinationen

Wenn du schon mal in der Gegend bist, bieten sich weitere Ziele an. Das Fellhorn auf der anderen Seite des Oytals ist ebenfalls mit einer Seilbahn erschlossen und liefert einen anderen Blickwinkel auf die Allgäuer Alpen. Von dort kannst du übrigens auch zum Nebelhorn rüberwandern, ein schöner Höhenweg über den Grat.

Die Breitachklamm bei Oberstdorf ist ein Kontrastprogramm: enge Felsschluchten statt weiter Aussicht, tossendes Wasser statt Stille. Kombiniert mit dem Nebelhorn ergibt das einen abwechslungsreichen Tag. Wer noch Energie hat, kann auch durchs Oytal wandern, ein langgezogenes Tal mit schönen Ausblicken auf die umliegenden Berge.

Oberstdorf selbst ist ein solider Ausgangspunkt für mehrere Tage in der Region. Der Ort ist touristisch geprägt, aber nicht übermäßig verbaut. Es gibt genug Unterkünfte in allen Preisklassen, von einfachen Pensionen bis zu gehobenen Hotels. Die Infrastruktur ist gut, Supermärkte, Restaurants, Sportgeschäfte – alles vorhanden.

Warum das Nebelhorn trotzdem unterschätzt wird

Irgendwie fehlt dem Nebelhorn die Prominenz. Die Zugspitze ist Deutschlands höchster Berg, das zieht automatisch. Das Matterhorn hat diese ikonische Form, die jeder kennt. Aber das Nebelhorn? Gut, der Name klingt nicht gerade nach Sonnenschein. Und vielleicht ist es genau deshalb nicht so überlaufen wie andere Aussichtsberge.

Dabei ist die Aussicht objektiv betrachtet besser. Die Zugspitze hat zwar mehr Höhe, aber die Sicht ist nicht so frei. Das Karwendel und andere Gebirgszüge versperren den Blick nach Osten und Norden. Am Nebelhorn hast du dieses Problem nicht. Hier ist alles offen.

Vielleicht liegt es auch daran, dass das Allgäu insgesamt als sanftere, weniger spektakuläre Ecke der Alpen wahrgenommen wird. Grüne Wiesen, Kühe, Käse – das sind die Klischees. Dass hier einer der besten Aussichtspunkte der Alpen liegt, passt nicht so recht ins Bild. Aber genau das macht es interessant. Wer hierherkommt, wird meist positiv überrascht.

Ein paar abschließende Gedanken

Das Nebelhorn ist kein Berg für Extrembergsteiger. Hier geht's nicht ums Klettern in der Nordwand oder um waghalsige Gratüberschreitungen. Es geht ums Schauen. Und genau darin liegt die Stärke. Nirgendwo sonst in den Alpen bekommst du so viel fürs Auge auf einmal.

Klar, du brauchst Glück mit dem Wetter. Aber wenn die Bedingungen stimmen, stehst du hier oben und verstehst, warum manche Leute stundenlang einfach nur dastehen und gucken. 400 Gipfel sind nicht nur eine Zahl. Es ist ein Gefühl für die Dimension der Alpen, für die Weite und die Vielfalt dieses Gebirges. Das Nebelhorn liefert dir dieses Gefühl frei Haus.

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