Westallgäu & Hügelland

Die Moore von Isny: Wandern zwischen Himmel und weichem Grund

Die Moorlandschaft um Isny im Allgäu ist alles andere als öde Sumpflandschaft. Hier schwingen Holzstege unter den Füßen, seltene Pflanzen gedeihen im sauren Wasser und die Luft riecht nach feuchter Erde und Frische. Drei ausgeschilderte Rundwege führen durch dieses fragile Ökosystem – und zeigen eine Seite des Allgäus, die viele nicht auf dem Schirm haben.

Westallgäu & Hügelland  |  Natur & Landschaft
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Zwischenablage

Moore gehören nicht gerade zu den Landschaften, die man sich als Erstes vorstellt, wenn vom Allgäu die Rede ist. Hier denkt man an Berge, Wiesen, vielleicht noch an Kühe. Aber Moore? Tatsächlich gibt es im württembergischen Allgäu, rund um Isny, eine ganze Reihe davon. Sie entstanden nach der letzten Eiszeit in flachen Mulden und Senken, wo sich Regenwasser staute und über Jahrtausende Torf bildete. Das Besondere daran ist nicht nur die Entstehungsgeschichte, sondern auch das, was heute noch da ist: lebendige, teils renaturierte Flächen, in denen Torfmoose wachsen, Libellen schwirren und der Boden unter den Füßen nachgibt.

Die Stadt Isny hat in den letzten Jahren erheblich in die Moorrenaturierung investiert. Entwässerungsgräben wurden geschlossen, Wasser gestaut, Holzstege angelegt. Das Ergebnis lässt sich auf drei ausgeschilderten Rundwegen erkunden, die zusammen das Projekt "Lebende Landschaft" bilden. Der Name passt: Hier ist nichts museal, nichts erstarrt. Die Landschaft atmet förmlich.

Die drei Moorwege im Überblick

Insgesamt gibt es drei Routen, die sich in Länge und Charakter unterscheiden. Der kürzeste Rundweg misst etwa 3,5 Kilometer und führt durch das sogenannte Karsee-Moos, ein relativ kleines, aber dichtes Moorgebiet südwestlich von Isny. Der mittlere Weg ist knapp 6 Kilometer lang und erschließt das Rohrmoos, ein etwas offeneres Gelände mit weiten Blicken und mehreren Informationstafeln. Der längste Rundweg schließlich, mit rund 9 Kilometern, kombiniert Elemente beider Gebiete und führt durch Mischwald, über Feuchtwiesen und entlang von Gräben, die früher zur Entwässerung dienten und heute renaturiert sind.

Alle drei Wege sind gut beschildert, die Markierungen sind eindeutig, und man braucht keine besondere Ausrüstung. Festes Schuhwerk ist allerdings Pflicht, auch wenn die Stege trocken halten – abseits davon wird es schnell matschig. Wer im Frühsommer kommt, sollte an Mückenschutz denken. Die Viecher lieben Moore genauso wie Libellen.

Was du unterwegs siehst

Optisch unterscheiden sich Moore deutlich von anderen Landschaften. Die Vegetation ist niedrig, oft dominieren Gräser, Binsen und Seggen. Dazwischen leuchten im Sommer die weißen Wollgrasköpfe, die aussehen wie kleine Wattebäusche auf Stielen. Torfmoose bilden dichte Polster in Grün-, Rot- und Brauntönen, je nach Wasserstand und Lichteinfall. An manchen Stellen blubbert es leise, wenn man über die Stege geht – das Wasser bewegt sich unter der Oberfläche.

Die Holzstege selbst sind unterschiedlich alt. Manche wirken noch neu, andere sind bereits von Flechten überzogen. Sie schwingen leicht, wenn man darüber läuft, und das ist kein Mangel, sondern Teil des Erlebnisses. Der Untergrund ist weich, nachgiebig. An einigen Stellen wurden Aussichtsplattformen eingerichtet, von denen aus man einen guten Überblick über die Moorflächen hat. Dort stehen auch Infotafeln, die Entstehung, Renaturierung und Bedeutung der Moore erklären. Die Texte sind gut verständlich, ohne zu sehr in die Tiefe zu gehen.

Besonders im Rohrmoos gibt es Stellen, an denen man den Blick schweifen lassen kann. Die Landschaft öffnet sich, dahinter erheben sich die Allgäuer Voralpen, bei gutem Wetter sieht man bis zur Nagelfluhkette. Das ist schon ein Kontrast: vorne das flache, feuchte Moor, hinten die Berge. Fotomotive gibt es reichlich, vor allem in den frühen Morgenstunden, wenn Nebel über den Moorflächen hängt.

Flora und Fauna – mehr als man denkt

Moore sind Lebensräume für Spezialisten. Viele Pflanzen kommen nur hier vor, weil sie an saure, nährstoffarme Bedingungen angepasst sind. Neben den erwähnten Torfmoosen wachsen verschiedene Seggen, Fieberklee, Sumpf-Blutauge und an trockeneren Rändern auch Heidekraut. Im Frühjahr blüht der Sumpf-Dotterblume, dessen gelbe Blüten weithin sichtbar sind. Wer genau hinschaut, findet vielleicht sogar Sonnentau, eine fleischfressende Pflanze, die Insekten auf ihren klebrigen Blättern fängt.

Bei den Tieren sind es vor allem Vögel und Insekten, die auffallen. Libellen sind in großer Zahl unterwegs, darunter auch größere Arten wie die Blaugrüne Mosaikjungfer. Schmetterlinge flattern über die Wiesen, Bienen und Hummeln brummen in den Blüten. Seltener, aber nicht unmöglich, sind Begegnungen mit Kreuzottern, die in Mooren gerne vorkommen. Sie sind scheu und ziehen sich zurück, wenn sie Schritte hören – also kein Grund zur Panik.

Unter den Vögeln sind Neuntöter, Wiesenpieper und gelegentlich auch Brachvögel zu beobachten. Letztere sind recht laut, ihr Ruf klingt ein bisschen wie ein langgezogenes "Kurli". Wer mit einem Fernglas unterwegs ist, hat definitiv Vorteile.

Praktische Infos: Anfahrt und Ausgangspunkte

Die Moorwege beginnen an verschiedenen Punkten rund um Isny. Der kürzeste Weg startet am Parkplatz beim Karsee, der mittlere am Rohrmoos-Parkplatz an der Straße Richtung Maierhöfen. Für den langen Rundweg gibt es mehrere Einstiegsmöglichkeiten, unter anderem direkt von Isny aus, wo man zu Fuß oder mit dem Rad zum Startpunkt gelangen kann. Die Parkplätze sind kostenlos, aber an schönen Wochenenden im Sommer wird es durchaus voll.

Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist Isny per Bahn erreichbar, die Strecke Aulendorf–Isny wird regelmäßig bedient. Vom Bahnhof aus sind die Ausgangspunkte allerdings ein paar Kilometer entfernt, man braucht entweder ein Fahrrad oder muss einen kleinen Fußmarsch einplanen. Wer sowieso mit dem Rad unterwegs ist, kann die Moorwege auch gut als Teil einer größeren Radtour einbauen – die Gegend ist relativ flach und gut befahrbar.

Wann lohnt sich der Besuch?

Grundsätzlich sind die Moorwege das ganze Jahr über begehbar, aber sie zeigen je nach Jahreszeit ein völlig anderes Gesicht. Im Frühling, etwa ab April, beginnt die Vegetation zu explodieren. Die Wollgräser blühen, die ersten Zugvögel kehren zurück, und die Luft riecht intensiv nach frischem Grün. Allerdings ist es dann auch am feuchtesten, und die Wege können stellenweise rutschig sein.

Der Sommer, von Juni bis August, ist die klassische Wanderzeit. Die Stege sind trocken, die Sicht meist gut, und die Insektenvielfalt erreicht ihren Höhepunkt. Nachteil: mehr Besucher, mehr Mücken. Wer früh morgens startet, hat beides weniger am Hals.

Im Herbst verfärben sich die Gräser und Moose, die Landschaft wird bunter. Das Licht ist oft weicher, die Stimmung fast ein bisschen melancholisch. Es ist die Zeit, in der Moore besonders fotogen wirken. Und im Winter? Da wird es ruhig. Manche Stege sind mit Schnee bedeckt, die Moorflächen gefroren. Besucher sind selten, dafür hat man die Landschaft oft für sich allein. Die Wege bleiben in der Regel geräumt, aber Vorsicht bei Eis.

Was du mitbringen solltest

Die Ausrüstung für eine Moorwanderung ist überschaubar. Feste Schuhe mit gutem Profil sind das Wichtigste – Turnschuhe reichen nicht, wenn es abseits der Stege mal nass wird. Eine leichte Regenjacke schadet nie, das Wetter im Allgäu ändert sich schnell. Wasser und ein kleiner Snack gehören ohnehin ins Gepäck, auch wenn die Wege nicht allzu lang sind.

Wer sich für Pflanzen oder Vögel interessiert, sollte ein Fernglas und eventuell ein Bestimmungsbuch mitnehmen. Es gibt einige gute Apps, die Pflanzen per Foto identifizieren können, aber in Mooren ist das Handynetz nicht immer stabil. Ein Notizbuch für eigene Beobachtungen kann auch nicht schaden – manche Leute schwören darauf.

Wichtig noch: Müll wieder mitnehmen. Moore sind empfindliche Ökosysteme, und selbst biologisch abbaubare Sachen wie Bananenschalen haben hier nichts verloren. Die Infotafeln weisen darauf hin, und es versteht sich eigentlich von selbst.

Was die Moore besonders macht

Moore sind Klimaschützer. Sie speichern enorme Mengen an Kohlenstoff, mehr als Wälder pro Fläche. Wenn sie trockengelegt werden, setzen sie diesen Kohlenstoff als CO₂ frei. Die Renaturierung rund um Isny ist also nicht nur aus ökologischer, sondern auch aus klimapolitischer Sicht relevant. Das wird auf den Infotafeln entlang der Wege auch thematisiert, ohne dass es belehrend wirkt.

Gleichzeitig sind Moore kulturhistorisch interessant. Früher wurden sie als unwirtlich empfunden, als Orte, die man meiden oder zumindest trockenlegen sollte. Der Torfabbau prägte über Jahrhunderte die Landschaft. In manchen Gegenden des Allgäus sieht man noch die Spuren davon – tiefe Gräben, abgestochene Flächen. Bei Isny hat man sich bewusst für einen anderen Weg entschieden: statt Ausbeutung die Wiederherstellung.

Noch ein paar Tipps zum Schluss

Falls du nach der Moorwanderung noch Zeit hast, lohnt sich ein Abstecher nach Isny selbst. Die Altstadt ist gut erhalten, mit einem schönen Marktplatz und ein paar netten Cafés. Die Nikolaikirche hat einen sehenswerten Hochaltar, und das Wassertor ist eines der wenigen erhaltenen Stadttore im Allgäu. Wer sich für Käse interessiert, findet in der Gegend mehrere Sennereien, die Führungen anbieten.

Die Moorwege sind außerdem gut mit anderen Wanderungen kombinierbar. Die Adelegg, ein bewaldetes Mittelgebirge südlich von Isny, bietet etliche Routen, die von leicht bis anspruchsvoll reichen. Auch der Eistobel, eine Schlucht mit Wasserfällen und bizarren Felsformationen, liegt nicht weit entfernt.

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