Ostallgäu & Königswinkel

Tafeln wie die Könige: Historische Gasthäuser rund um Neuschwanstein

Das Allgäu ist ein Ort, an dem Geschichte durch den Magen geht. Egal ob im feinen Jugendstil-Saal oder in der rauen Jagdhütte – hier isst du nicht einfach nur, du nimmst teil an einer Tradition.

Kommentare
Teilen
Facebook
Pocket
E-Mail
0
Kommentare
Facebook
Pocket
E-Mail
Zwischenablage

Hand aufs Herz: Wer durch das Ostallgäu stapft, hat irgendwann einen Bärenhunger. Die Bergluft macht was mit einem, und nach dem dritten steilen Anstieg hinauf zu Ludwigs Traumwelt ist der kulturelle Wissensdurst oft kleiner als das Verlangen nach einem anständigen Schweinsbraten. Spannend ist dabei, dass die kulinarische Landschaft hier unten (und oben) nicht erst für die Busladungen aus Übersee erfunden wurde. Nein, die Wirtshauskultur rund um Hohenschwangau und Neuschwanstein hat echte Wurzeln, die tief in den historischen Boden ragen. Wir reden hier von ehemaligen Kantinen für die Baumeister, die Neuschwanstein hochzogen, von Jagdhütten, in denen echte Könige ihr Wildbret verspeisten, und von spätgotischen Bürgerhäusern, die schon standen, als Ludwig noch gar nicht geboren war.

Die Region Schwangau und Füssen ist da ziemlich direkt: Wer hier essen will, sollte reservieren. Das ist kein Marketing-Gerede, sondern bittere Realität, wenn man spontan versucht, in einem 350 Jahre alten Gasthof einen Tisch für vier zu ergattern. Die Verbindung aus Geschichte, Ambiente und verdammt guter Küche zieht eben. Wer also „wie die Könige tafeln“ will, muss planen wie ein Feldherr. Aber es lohnt sich. Denn es hat schon was, wenn man in einem Gewölbe sitzt, das Geschichten aus dem 16. Jahrhundert atmet, oder auf einer Terrasse, von der aus das Märchenschloss fast unwirklich nah aussieht.

Direkt an der Quelle: Hohenschwangau und der Schlossberg

Fangen wir dort an, wo es am meisten brummt. Hohenschwangau ist das Nadelöhr zur Märchenwelt, aber kulinarisch mehr als nur eine Durchgangsstation. Nimm zum Beispiel das Schlossrestaurant Neuschwanstein. Viele rennen daran vorbei, dabei ist die Story dahinter ziemlich cool: Ursprünglich war das hier die Kantine für die Baumeister und Handwerker. Die Jungs, die Stein auf Stein setzten, mussten ja auch was essen. Heute ist daraus ein Restaurant geworden, das den Spagat zwischen Allgäuer Bodenständigkeit und internationalem Publikum wagt. Die Karte mischt regionale Spezialitäten mit Dingen, die jeder kennt, aber das eigentliche Highlight ist die Terrasse. Wenn du dort sitzt, hast du diesen Panoramablick, der das Motiv „Tafeln wie die Könige“ wörtlich nimmt. Kleiner Dämpfer für Bequeme: Mit dem Auto kommst du da nicht hin. Geparkt wird unten, dann wird gelaufen oder die Kutsche genommen. Zeitmanagement ist hier alles, gerade wenn du am späten Nachmittag noch was Warmes willst.

Wer lieber im Tal bleibt, stolpert fast automatisch über das Schloss Bräustüberl Hohenschwangau. Das liegt strategisch günstig direkt im Dorf, unterhalb der Schlösser. Das Ambiente? Rustikal, wie man es erwartet, aber mit dieser speziellen Prise Geschichte. Der Biergarten ist bei gutem Wetter eine Bank. Hier wird die bayerische Biergartenkultur so gelebt, wie sie gedacht war: offen, laut, gesellig. Auf den Teller kommen Leberknödelsuppe, Schweinebraten und alles, was die bayerische Küche an „Soul Food“ zu bieten hat. Es ist der ideale Zwischenstopp, um das höfische Narrativ von oben mit der bodenständigen Wirtshausrealität von unten zu verknüpfen. Hier spürst du noch ein bisschen, wie Dorfgastlichkeit funktionierte, bevor der Massentourismus kam.

Ein bisschen schicker, aber nicht steif, geht es im Lisl Restaurant & Terrasse zu. Das gehört zum AMERON-Areal und versucht gar nicht erst, auf altbayerische Bauernstube zu machen. Stattdessen werden historische Motive mit modernem Design gekreuzt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, vor allem kulinarisch: Die Küche legt Wert auf klare Produkte, es gibt eine vernünftige Weinkarte und die Patisserie hat was drauf. Wenn du einen Platz auf der Terrasse ergatterst, hast du diese Blickachsen auf den Schlossberg und den Alpsee, die fast schon kitschig schön sind. Abends ist hier oft voll, weil die Schlossnähe logischerweise auch nach Museumsschluss zieht. Also: Hörer in die Hand nehmen und Tisch sichern.

Für den unkomplizierten Hunger zwischendurch gibt es das Restaurant Café Kainz. Ein riesiger Laden, viel Holz, klassische Bude. Hier wird bayerische Kost inszeniert, die jeder versteht. Käsespätzle, Braten, fertig. Die Terrasse bietet Schlossblick, was dem einfachen Essen natürlich eine ganz andere Bühne gibt. Das Kainz ist so ein typischer „Tagesanker“ – verlässlich, zentral, und man muss sich nicht erst groß umziehen. Ähnlich tickt das Ludwigs Stüberl. Der Name ist Programm. Es ist ein traditionsnaher Treffpunkt, serviert wird Allgäuer Standard in Stubenatmosphäre. Man sitzt da, isst seine Spätzle und weiß: Draußen steht die größte Touri-Attraktion Deutschlands, aber hier drinnen ist es einfach nur gemütlich. Wichtig bei beiden: Die Öffnungszeiten richten sich stark nach den Besucherströmen. Wer erst um 22 Uhr Hunger bekommt, steht hier oft schon vor verschlossenen Türen.

Der absolute Hammer für Historien-Nerds und Naturburschen ist aber das Berggasthaus Bleckenau. Das war mal eine königliche Jagdhütte. Kein Witz. Ludwig II. hat hier nicht nur Tee getrunken. Die Hütte liegt etwas abseits, man muss hinwandern oder den Bus nehmen, aber genau das macht den Reiz aus. Uriges Interieur, Kaminfeuer (im Herbst ein Traum) und eine Karte, die mit Wildgerichten die Vergangenheit des Hauses feiert. Hier oben, weg vom ganz großen Trubel, wirkt Geschichte plötzlich viel unmittelbarer. Es gibt nur Barzahlung – auch das ist irgendwie authentisch und erdet einen wieder. Die Bleckenau ist ehrlich, reduziert und gerade deshalb so gut.

Füssen: Wo Bürgerhäuser und Jugendstil auf den Teller kommen

Szenenwechsel. Raus aus dem Wald, rein in die Stadt. Die Füssener Altstadt ist das urbane Gegenstück zu den Schlössern. Hier gibt es keine Kutschenstaus,Dafür Gassen, die so eng sind, dass man fast die Wände ablecken möchte. Die Gastronomie hier spielt viel mit der historischen Bausubstanz. Da gibt es Gewölbekeller, in denen man die Jahrhunderte riechen kann, und Hotels, die den Jugendstil feiern.

Ein echtes Schwergewicht ist der "Zum Hechten". Wenn ein Haus seit über 350 Jahren Gäste bewirtet, machen die irgendwas richtig. Der Hechten ist so eine Art Zeitkapsel in der Ritterstraße. Familiär geführt, historische Substanz überall, aber null verstaubt. Die Küche ist „urbayrisch“, traut sich aber auch mal links und rechts vom Schweinebraten zu schauen. Du sitzt da mitten in der Altstadt, das Kloster St. Mang ist ums Eck, und hast das Gefühl, Teil einer sehr langen Tradition zu sein.

Ganz anders, aber genauso spannend, ist das Restaurant Hirsch am Kaiser-Maximilian-Platz. Hier regiert der Jugendstil. Das Haus wird seit vier Generationen geführt und hat Stil, ohne etepetete zu sein. Es gibt einen imposanten Saal, eine bayerische Bierstube und einen Biergarten mit Kastanien, der im Sommer Gold wert ist. Auf den Teller kommt ein Mix aus Klassikern und moderner, saisonaler Küche. Die Weinkarte (viel Deutschland und Österreich) kann was. Der Hirsch ist der Beweis, dass „historisches Flair“ nicht automatisch „dunkel und schwer“ bedeuten muss.

Wer auf Gewölbe steht, muss in die Hotel Schlosskrone. Deren Weinkeller und die historischen Stuben sind genau das, was man sich unter einem Stadtweinkeller vorstellt: steinerne Haptik, kühl, atmosphärisch dicht. Oben drüber ist ein modernes Hotel, aber unten im Keller wird die bürgerliche Ess- und Trinkkultur zelebriert. Für einen Weinabend mit Menü ist das eine Top-Adresse.

Und dann ist da noch der Gasthof zum Schwanen am Brotmarkt. Das Gebäude ist ein Baudenkmal, zweigeschossig, Treppengiebel, spätgotische Elemente. Auch wenn innen über die Jahre viel gemacht wurde, spürst du die alte Substanz, besonders im rückwärtigen Teil mit dem Tonnengewölbe. Es ist der klassische Gasthof im Stadtgefüge, direkt gegenüber vom Kloster. Hier einzukehren fühlt sich an, als würde man ein lebendiges Museum besuchen, nur dass es Schnitzel gibt.

Dorfleben Deluxe: Schwangau und die Landgasthöfe

Manchmal will man aber einfach nur raus aus der Stadt und weg vom Schlossberg, rein ins echte Dorfleben. Im Talraum zwischen Forggensee und den Füssener Ortsteilen findest du die Landgasthöfe, wo die Einheimischen ihren Stammtisch haben. Hier ist die Küche oft noch einen Tick erdiger.

Ein Klassiker, der sich gerade neu erfunden hat, ist der Landgasthof Hanselewirt im Mitteldorf. Seit 2025 ist der Laden wieder offen und knüpft nahtlos an seine lange Tradition an. Heimelige Landhausästhetik, Stuben, die nach Holz riechen, und eine Küche, die keine Experimente macht, sondern einfach gut kocht. Es ist schön zu sehen, dass so ein historischer Pfeiler der Dorfgastronomie wieder da ist.

Ein Stückchen weiter, an der Füssener Straße, steht das s' Wirtshaus im Weinbauer. Die Geschichte des Hauses geht auf 1865 zurück, und das sieht man. Es gibt Gewölbe, rustikale Nischen und eine Speisekarte, die keine Fragen offenlässt: Wild, Knödel, Schnitzel. Die Atmosphäre ist dicht, gemütlich, und man merkt, dass hier seit Generationen gegessen und getrunken wird. Ein super Ort, um nach einem windigen Tag am See wieder aufzutauen.

Wer es etwas ruhiger mag, schaut beim Hotel Restaurant Helmerhof vorbei. Familiengeführt, gemütlich, mit Blick auf die Berge oder sogar die Schlösser, je nachdem wo man sitzt. Die Küche ist klassisch-bayerisch, ohne Schnickschnack. Ähnlich entspannt ist der Hotel Restaurant Waldmann in Alterschrofen. Fast hundert Jahre auf dem Buckel, liegt es schön ruhig am Ortsrand. Hier wird viel Wert auf regionale Produkte gelegt, und die Gaststuben strahlen diese typische Allgäuer Behaglichkeit aus, die man nicht künstlich herstellen kann.

Zum Schluss noch was für die großen Runden: das Schlossbrauhaus Schwangau. Das Ding ist groß, rustikal und hat diesen Brauhaus-Vibe mit Kupferkesseln und viel Lärm. Der Blick auf Neuschwanstein durch die verglaste Front ist stark. Im Sommer ist der Biergarten voll, drinnen gibt es Hausmannskost und natürlich Bier. Es ist vielleicht nicht der intimste Ort für ein romantisches Dinner, aber wenn du Brauhaus-Action und Schlossblick kombinieren willst, bist du hier richtig.

Schreibe einen Kommentar
Bitte anmelden, um einen Kommentar zu schreiben.
 
Du 

Bisher keine Kommentare
Entdecke mehr:
Nach oben scrollen