Oberallgäu & Allgäuer Alpen

Alpsee Coaster: Drei Kilometer Adrenalin pur durch die atemberaubende Allgäuer Natur

Hier im Konstanzer Tal regiert die Schwerkraft, und die hat es eilig. Wer sich auf den Alpsee Coaster wagt, tauscht Wanderschuh gegen Plastikschale und Idylle gegen einen Geschwindigkeitsrausch, der selbst hartgesottene Väter kurz juchzen lässt.

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Zwischenablage

Schon auf dem Parkplatz an der B308, der Hauptschlagader zwischen Immenstadt und Oberstaufen, empfängt dich eine Geräuschkulisse, die eher an einen Freizeitpark erinnert als an ein Naturschutzgebiet. Es rattert. Ein metallisches, rhythmisches Klackern hallt vom Berg wider, durchsetzt von spitzen Schreien, die irgendwo zwischen Panik und Ekstase liegen. Das ist der Alpsee Coaster. Er ist laut, er ist groß, und er ist verdammt beliebt. An schönen Sommertagen stapelt sich hier das Blech der Touristenautos, und die Kennzeichen verraten, dass der Ruf der Anlage weit über die bayerischen Grenzen hinausgedrallt ist. Du solltest also Zeit mitbringen oder strategisch klug planen. Wer erst um elf Uhr vormittags aufschlägt, studiert oft lange die Rückseite des Vordermanns in der Warteschlange.

Der Weg nach oben: Sessel oder Schweiß?

Bevor der Rausch beginnt, muss erst einmal Höhe gewonnen werden. Das Prinzip ist simpel: Ohne Fleiß kein Preis, wobei der Fleiß hier meist an die Sesselbahn delegiert wird. Die Doppelsesselbahn befördert die Massen gemütlich zur Bergstation „Bärenfalle“. Während du in gemächlichem Tempo über die Almwiesen schwebst, kannst du unter dir schon die ersten Piloten beobachten, die Richtung Tal donnern. Auffällig sind dabei die Fangnetze, die über den Wanderwegen gespannt sind. Sie dienen weniger dazu, Wanderer zu fangen, als vielmehr dazu, herabfallende Smartphones oder Sonnenbrillen der Liftpassagiere aufzuhalten. Ein Detail, das zeigt: Hier ist viel los.

Natürlich kannst du auch laufen. Der Weg hinauf ist durchaus knackig und führt teilweise direkt an der Coaster-Strecke entlang. Das hat den Vorteil, dass du dir die Brotzeit oben redlich verdient hast. Der Nachteil ist, dass du verschwitzt oben ankommst, während die Sesselbahn-Fraktion entspannt an ihrem Weißbier nippt. Die meisten entscheiden sich für die Bahn. Oben angekommen, auf gut 1.100 Metern Höhe, dominiert die „Berghütte Bärenfalle“. Es ist der Dreh- und Angelpunkt der Alpsee Bergwelt. Hier riecht es nach Pommesfett, Kaiserschmarrn und Sonnencreme. Die Terrasse ist riesig, die Aussicht auf die Nagelfluhkette gegenüber eigentlich wunderschön, wenn man zwischen den vielen Köpfen hindurchschaut.

Die Technik: Narrensicher, meistens

Der Coaster selbst ist eine ingenieurstechnische Meisterleistung, die das Rodeln wetterunabhängig macht. Anders als bei klassischen Sommerrodelbahnen, wo man in einer Art Betonrinne rutscht, ist der Schlitten hier fest auf Schienen montiert. Ein Entgleisen ist physikalisch fast unmöglich, was beruhigend ist, wenn man bedenkt, dass mancher Übermutige hier die Gesetze der Fliehkraft testen will. Du sitzt in einer Kunstschale mit Rückenlehne und hast zwei Hebel in der Hand. Das Prinzip versteht jedes Kind: Hebel nach vorne drücken heißt Gas geben, Hebel nach hinten ziehen bedeutet Bremsen. Wer die Hebel loslässt, wird automatisch gebremst. Das System ist idiotensicher.

Ein wichtiger Aspekt, den man nicht unterschätzen darf, ist die Distanz. Wir reden hier von fast drei Kilometern Länge. Das ist im Rodel-Business eine Hausnummer. Die Fahrt dauert, je nach deinem Mut und dem Trödelfaktor des Vordermanns, zwischen fünf und zehn Minuten. Das klingt kurz, fühlt sich aber auf den Schienen deutlich länger an, besonders wenn die Oberschenkel durch die Vibrationen langsam anfangen zu kribbeln.

Die Abfahrt: Eine Mordsgaudi mit Tücken

Jetzt wird es ernst. Du stehst am Start, das Personal checkt kurz den Gurt – ja, man ist angeschnallt – und gibt das Startsignal. Die Ampel springt auf Grün. Du drückst die Hebel durch. Der Schlitten nimmt sofort Fahrt auf. Die ersten Meter sind noch zum Eingewöhnen, aber dann zeigt die Strecke ihr wahres Gesicht. Es geht nicht einfach nur geradeaus bergab. Die Konstrukteure haben Wellen, Jumps und Kreisel eingebaut. Insgesamt 68 Kurven warten darauf, genommen zu werden. Besonders die "Jumps" haben es in sich: Man hebt zwar nicht wirklich ab, aber der Magen macht kurz einen kleinen Hüpfer Richtung Hals.

Spannend ist dabei, dass du die Geschwindigkeit selbst bestimmst. Zumindest theoretisch. In der Praxis hängt dein Tempo massiv von der Person vor dir ab. Nichts ist frustrierender, als mit Vollgas-Ambitionen zu starten, nur um dann nach drei Kurven auf einen „Panikbremser“ aufzulaufen. Überholen ist unmöglich. Man muss Abstand halten, mindestens 25 Meter, besser mehr. Wenn du Pech hast und vor dir jemand die Aussicht genießt, anstatt die Fliehkraft zu spüren, wird aus der rasanten Talfahrt eine gemütliche Bummelfahrt mit gelegentlichem Auffahren. Mein Tipp: Lass am Start extra viel Platz zum Vordermann, auch wenn das Personal drängelt. Warte ein paar Sekunden länger. Es lohnt sich.

Wenn die Bahn frei ist, entwickelt der Coaster einen unglaublichen Flow. Du legst dich in die Kurven, der Wind pfeift, und das Rattergeräusch schwillt zu einem dröhnenden Crescendo an. Bis zu 40 km/h sind möglich. Das klingt nach wenig, wenn man auf der Autobahn unterwegs ist, aber wenn der Hintern nur zehn Zentimeter über dem Boden schwebt und links und rechts die Fichten vorbeihuschen, fühlt sich das verdammt schnell an. An einigen Stellen wird dein Foto geschossen – natürlich kostenpflichtig zu erwerben am Ausgang. Der Gesichtsausdruck darauf ist meist eine Mischung aus verbissenem Kampfgeist und purer Freude.

Wetterfest und wintertauglich

Eine Besonderheit des Alpsee Coasters ist seine Ganzjahrestauglichkeit. Das Ding läuft fast immer. Im Winter werden die Schienen geräumt, und wenn es regnet, montieren die Mitarbeiter Plexiglas-Hauben auf die Schlitten. Du sitzt dann in einer Art trockenem Kokon, während der Regen auf das Plastik prasselt. Das hat seinen eigenen Charme, auch wenn die Sicht durch die Wassertropfen etwas leidet. Es nimmt der Sache aber auch ein wenig das Unmittelbare. Das echte "Allgäu-Feeling" mit Wind im Gesicht und dem Geruch von feuchtem Waldboden gibt es eigentlich nur „oben ohne“. Trotzdem: Dass man hier nicht umsonst anreist, nur weil eine Wolke am Himmel hängt, ist ein logistischer Pluspunkt.

Drumherum: Kletterwald und Streichelzoo

Die Bergwelt besteht nicht nur aus der Rodelbahn. Direkt neben der Bergstation erstreckt sich der „Kletterwald Bärenfalle“, Bayerns größter Hochseilgarten. Wer nach dem Rodeln noch Adrenalin übrig hat, kann sich hier in die Bäume hängen. Das ist körperlich deutlich fordernder als das bloße Drücken von zwei Plastikhebeln. Für Familien mit kleineren Kindern, die noch nicht allein rodeln dürfen (Kinder dürfen ab 3 Jahren mitfahren, ab 8 Jahren und 1,40 m Größe dann alleine steuern), gibt es die „Abenteuer Alpe“. Das ist ein riesiger Spielplatz mit Streichelzoo. Lamas, Ziegen und Schafe warten hier auf Streicheleinheiten und Futterpellets. Es ist der ruhigere Gegenpol zum stählernen Ungetüm nebenan. Manchmal blöken die Ziegen fast so laut wie die Touristen schreien.

Kritische Töne und praktische Tipps

Sprechen wir über Geld. Ein günstiges Vergnügen ist der Alpsee Coaster nicht. Wenn eine vierköpfige Familie Berg- und Talfahrt plus vielleicht noch den Kletterwald bucht, blutet das Portemonnaie ordentlich. Hinzu kommt die Parkgebühr unten im Tal, die man passend oder per App parat haben sollte, da die Automaten manchmal zickig sind. Man zahlt hier für die Infrastruktur und die Sicherheit, das ist klar, aber es summiert sich.

Ein weiterer Punkt ist die Wartezeit. An Wochenenden und in den Ferien steht man unten an der Kasse, dann am Lift und oben nochmal am Coaster-Start. Das kann an den Nerven zehren. Wer es einrichten kann, kommt unter der Woche oder direkt morgens um 9 Uhr, wenn die Anlage öffnet. Dann ist die Luft noch frisch, die Schlange kurz und die Bahn frei für echte Geschwindigkeitsrekorde.

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