Oberallgäu & Allgäuer Alpen

Rodelspaß Deluxe: Die längsten Abfahrten am Mittagberg und Imberg

Wer im Allgäu rodeln will, sucht keine sanften Hügel hinterm Haus, sondern echte Kilometerfresser und technische Schikanen, die Oberschenkel und Lachmuskeln gleichermaßen fordern. Hier gibt es den ungeschönten Blick auf zwei der besten Reviere für alle, die bergab lieber sitzen als stehen.

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Zwischenablage

Der Mittagberg: Ein Klassiker mit Nostalgie-Faktor

Wer in Immenstadt am Fuße des Mittagbergs steht, spürt sofort, dass die Zeit hier eine etwas andere Taktung hat. Die Mittagbahn selbst ist ein Relikt aus einer Ära, in der Skilifte noch nicht wie Raumschiffe aussahen. Ein Doppelsessellift, der gemächlich und fast schon meditativ die Höhenmeter frisst. Das Rattern der Rollen über die Stützen ist der Soundtrack des Aufstiegs. Man hat Zeit, die Beine baumeln zu lassen und den Blick über die Dächer von Immenstadt schweifen zu lassen, während der kalte Wind oft ungebremst um die Nase pfeift. Es empfiehlt sich, die Mütze tief ins Gesicht zu ziehen. Oben angekommen, auf rund 1.450 Metern, ist das Panorama der Nagelfluhkette wuchtig und dominiert den Horizont.

Die Abfahrt hier ist nichts für Leute, die es eilig haben – zumindest was die Länge der Strecke angeht. Mit gut fünf Kilometern zählt die Naturrodelbahn am Mittag zu den längsten in Deutschland. Das Besondere ist die Zweiteilung. Von der Bergstation geht es zunächst zur Mittelstation. Dieser obere Teil hat es oft in sich. Da es sich um eine Naturbahn handelt, diktiert das Wetter die Bedingungen. Herrscht Tauwetter, wird der Schnee schwer und sulzig; hat es in der Nacht gefroren, verwandelt sich die Piste in eine harte, schnelle Rutsche, die präzises Lenken erfordert. Manchmal ragen an den Rändern kleine Äste aus dem Schnee, oder eine Kurve ist durch die vielen Vormänner schon leicht ausgefahren. Das gehört dazu.

Interessant wird es ab der Mittelstation, wo man – sofern man ein Ticket bis ganz oben hatte – einfach durchrodelt. Der untere Abschnitt führt meist durch den Wald. Hier wechseln sich Licht und Schatten ab, was bei hoher Geschwindigkeit die Wahrnehmung von Bodenwellen erschwert. Genau das macht den Reiz aus. Es ist keine klinisch reine Piste, sondern ein Wirtschaftsweg, der im Winter zweckentfremdet wird. Man spürt jede Unebenheit im Steißbein, wenn man nicht gerade auf einem vollgefederten High-Tech-Schlitten sitzt. Unten im Tal angekommen, brennen die Arme vom Lenken und die Beine vom Bremsen. Es ist eine ehrliche körperliche Arbeit.

Der Imberg: Modern, breit und nachtaktiv

Szenenwechsel nach Steibis bei Oberstaufen. Der Imberg wirkt im direkten Vergleich etwas polierter, organisierter. Die Imbergbahn ist eine Gondelbahn. Man steigt ein, die Türen schließen fast geräuschlos, und man ist vor Wind und Wetter geschützt. Das ist besonders dann angenehm, wenn es draußen stürmt oder schneit. Für Familien ist das ein riesiger Pluspunkt, weil niemand schon mit klammen Fingern oben ankommt. Die Auffahrt geht zügig.

Die Rodelbahn am Imberg ist anders charakterisiert als am Mittag. Sie ist tendenziell breiter und wird maschinell sehr regelmäßig präpariert. Das bedeutet weniger Überraschungen durch Buckelpisten, dafür aber oft höhere Geschwindigkeiten, weil der Untergrund gleichmäßiger ist. Man kann die Kurven weiter ausfahren. Es gibt Passagen, die zum Gleiten einladen, und steilere Stücke, wo man die Hacken tief in den Schnee graben muss, um nicht im Fangnetz zu landen. Die Streckenführung ist logisch und übersichtlich, was besonders Neulingen entgegenkommt.

Ein echtes Highlight in Steibis ist das Nachtrodeln. Wenn die Sonne hinter den österreichischen Alpen verschwunden ist, knipsen sie hier das Flutlicht an. Die Atmosphäre verändert sich komplett. Der Schnee glitzert im künstlichen Licht fast unwirklich hell, während der Wald drumherum in tiefschwarzer Dunkelheit versinkt. Die Geräusche wirken gedämpfter, konzentrierter. Das Kratzen der Kufen auf dem Eis hallt lauter wider. Wer samstagsabends hier ist, teilt sich die Piste oft mit Einheimischen, die den Abend sportlich ausklingen lassen wollen. Es hat fast etwas von einer Party, nur eben bei Minusgraden und mit Fahrtwind im Gesicht.

Das Material: Wo man die Raketen leiht

Der klassische Davoser Holzschlitten, den viele noch aus Kindheitstagen im Keller stehen haben, ist für diese Bahnen eigentlich nur bedingt geeignet. Er ist starr, die Kufen stehen flach auf dem Schnee, und Lenken funktioniert eher durch brachialen Gewalteinsatz der Stiefel als durch Gewichtsverlagerung. Wer Spaß haben will und nicht nur Passagier auf seinem eigenen Gefährt sein möchte, braucht einen Rodel, der mitdenkt.

Am Mittagberg gibt es direkt an der Talstation einen Verleih. Hier bekommt man solide Standardmodelle, aber auch sportlichere Varianten. Der Trick bei einem guten Rodel ist die Flexibilität. Ein Sportrodel ist "gummigelagert". Das heißt, man kann durch Druck auf den einen oder anderen Holm und gleichzeitiges Ziehen am Lenkseil die Kufen verkanten. Man fährt Kurven wie auf Skiern auf der Kante, statt flach zu driften. Das erhöht die Kurvengeschwindigkeit massiv und macht das Bremsen kontrollierbarer.

In Steibis am Imberg ist das Sportzentrum Hauber die erste Adresse. Es liegt praktischerweise direkt an der Talstation der Imbergbahn. Hauber ist eine Institution in der Gegend. Die Auswahl ist groß, und das Personal schaut einen kurz an, um einzuschätzen, welches Gerät man einem zumuten kann. Wer freundlich fragt und glaubhaft versichert, dass er weiß, was er tut, bekommt vielleicht einen der ganz schnellen Flitzer. Diese Dinger haben Kufen aus Stahl, die in einem bestimmten Winkel geschliffen sind. Auf hartem Schnee beschleunigen sie so rasant, dass einem Hören und Sehen vergeht. Ein Helm ist hierbei keine modische Entscheidung, sondern eine Notwendigkeit. Skibrillen sind ebenfalls ratsam, denn der aufwirbelnde Schneestaub des Vormanns wirkt bei 40 Sachen wie Sandstrahlen im Gesicht.

Einkehrschwung: Kässpatzen als Treibstoff

Rodeln macht hungrig. Das ist eine physiologische Tatsache, gegen die man sich nicht wehren sollte. Die kalte Luft und die Anspannung verbrauchen Kalorien im Akkord. Am Mittagberg bietet sich das Rasthaus am Gipfel an, aber oft ist es gemütlicher, bis zur Mittelstation zu fahren oder gleich ganz unten in Immenstadt einzukehren. Es gibt dort kleine Cafés und Wirtshäuser, die sich auf durchgefrorene Gäste eingestellt haben.

Am Imberg ist das Imberghaus direkt an der Bergstation ein strategisch günstiger Punkt. Man kann vor der ersten Abfahrt einkehren oder zwischendurch eine Pause einlegen. Die Küche ist deftig. Allgäuer Kässpatzen sind hier Grundnahrungsmittel. Man muss sich das vorstellen: Ein Berg aus Teigwaren, durchzogen von Unmengen geschmolzenem Bergkäse und garniert mit Röstzwiebeln. Das liegt schwer im Magen, gibt aber genau die Energie, die man braucht, um den Schlitten später noch einmal den kleinen Anstieg zur Startposition zu ziehen. Wer es eilig hat, greift zur Wurstsemmel, aber eigentlich ist das "Hockenbleiben" Teil der lokalen Kultur.

Fahrtechnik für Fortgeschrittene

Viele unterschätzen die Physik. Ein Körper, der sich auf zwei schmalen Kufen einen Berg hinabstürzt, folgt der Trägheit. Um die langen Abfahrten am Mittag oder Imberg wirklich zu genießen und nicht nach jeder Kurve den Schlitten aus dem Tiefschnee ziehen zu müssen, hilft die richtige Haltung. Man liegt so flach wie möglich. Das senkt den Schwerpunkt und verringert den Luftwiderstand. Eine Hand hält das Lenkseil, die andere greift oft nach hinten an den Holm, um zu stabilisieren. In der Kurve lehnt man sich nach innen, die äußere Hand zieht das Seil, das innere Bein drückt leicht gegen die Kufe. Nur so bekommt man den nötigen Druck auf den Schnee.

Gebremst wird nicht mit den Fersen, sondern mit der ganzen Sohle, und zwar vollflächig. Wer nur die Hacken in den Boden rammt, riskiert, dass es ihm die Beine nach oben schlägt, und verliert zudem die Kontrolle. Wenn es eisig ist, hilft oft nur noch, den Schlitten vorne extrem hochzureißen, damit sich die hinteren Enden der Kufen in das Eis bohren. Das sieht nicht elegant aus, rettet aber vor der Kollision mit der Bande.

Logistik und das Drumherum

Wer mit dem Auto anreist, findet an beiden Orten Parkplätze, wobei es am Mittag in Immenstadt an sonnigen Wochenenden schon mal eng werden kann. Der Parkplatz an der Talstation ist nicht riesig. Frühes Aufstehen lohnt sich, nicht nur wegen des Parkens, sondern weil die Pisten morgens um neun noch frisch und griffig sind. Mittags ist oft alles "zerfahren". In Steibis ist der Parkplatz an der Imbergbahn großzügiger dimensioniert, kostet aber meist eine Gebühr. Wer schlau ist, nutzt den Bus. Von Oberstaufen aus pendeln Busse regelmäßig nach Steibis. Das spart Nerven und man kann beim Après-Rodel vielleicht auch ein Bier trinken, ohne sich Sorgen um den Führerschein zu machen.

Kleidungstechnisch ist das Zwiebelprinzip angesagt. In der Gondel oder im Lift wird einem schnell warm, beim Fahren kühlt der Wind aus, und beim Laufen schwitzt man wieder. Wichtig sind vor allem feste Schuhe. Sneaker sind ein absolutes No-Go. Man braucht Profilsohlen, um zu bremsen und um beim Aufstieg (auch wenn es nur kurze Stücke sind) nicht wegzurutschen. Gamaschen verhindern, dass der Schnee von unten in die Hosenbeine kriecht – eine Erfahrung, die man gerne vermeidet, weil nasse Socken jeden Spaß im Keim ersticken.

Beide Berge haben ihren eigenen Charakter. Der Mittag ist rauer, ursprünglicher, vielleicht ein bisschen mehr "Rock 'n' Roll". Der Imberg ist komfortabler, schneller erreichbar und durch das Nachtangebot extrem attraktiv für alle, die den Tag voll ausnutzen wollen. Wer eine Woche im Allgäu ist, sollte beides probieren. Denn erst im direkten Vergleich merkt man, welcher Rodel-Typ man eigentlich ist: Der nostaligsche Naturbahn-Bezwinger oder der High-Speed-Gleiter auf präpariertem Geläuf. Sicher ist nur: Unten kommen alle an, meistens mit einem breiten Grinsen und dem festen Vorsatz, sich gleich noch einmal in die Schlange am Lift zu stellen.

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