Man sitzt da, schaut auf eine dieser sattgrünen Wiesen, die fast schon unverschämt photoshopped wirken, und erwartet eigentlich, dass das Internet hier so langsam fließt wie der Honig beim Hotelfrühstück. Aber das Allgäu hat sich gemausert. Es ist längst nicht mehr nur das Land der Sennereien und Königsschlösser. Zwischen den Hügeln hat sich eine Szene etabliert, die verstanden hat, dass Arbeit nicht mehr ortsgebunden ist. Für dich als Digital Nomad oder Langzeitreisenden bedeutet das: Du kriegst hier beides. Die absolute Ruhe, wenn du sie brauchst, und eine Infrastruktur, die dich nicht im Stich lässt, wenn die Deadline drückt. Es riecht hier oft nach frisch gemähtem Gras oder, seien wir ehrlich, auch mal deftig nach Landwirtschaft. Aber genau das erdet ungemein, wenn das Postfach überquillt.
Slow Travel ist hier keine hohle Phrase, sondern fast eine Notwendigkeit. Die Straßen winden sich, die Uhren ticken in den Dörfern anders. Wer hier hetzt, verpasst das Beste. Interessant ist dabei, dass gerade diese Gemütlichkeit die Produktivität fördert. Man arbeitet konzentrierter, weil die Ablenkung draußen "nur" aus Bergen und Kühen besteht, nicht aus dem hektischen Blinken einer Großstadt.
Hotspots für den Laptop: Co-Working im Oberallgäu
Fangen wir ganz im Süden an, wo die Berge am höchsten sind und die Luft am dünnsten. Wer glaubt, hier gäbe es nur Wanderwege, täuscht sich gewaltig. In Fischen und Oberstdorf hat sich mit dem Alpine Hub eine echte Institution etabliert. Das Ding ist 400 Quadratmeter groß und liegt strategisch günstig an der B19. Du fährst praktisch dran vorbei, wenn du in die Berge willst. Mit 24/7-Zugang ist es egal, ob du für Kunden in den USA eine Nachteule bist oder den "Early Bird" machst, um mittags auf dem Nebelhorn zu stehen. Es ist der klassische Basecamp-Vibe: Man trifft Freiberufler, tauscht sich kurz an der Kaffeemaschine aus und hat dann wieder seine Ruhe. Die Tarife sind flexibel, was für Nomaden essentiell ist – vom Tagesticket bis zur Monatsmiete geht alles.
Ein Stückchen weiter nördlich, in Immenstadt, wird es historisch. Wer hat schon mal seine Mails in einem Schloss beantwortet? Die Schlosswerkstatt am Marienplatz macht genau das möglich. Es ist schon ein spezielles Gefühl, durch einen Schlosshof zur Arbeit zu gehen. Drinnen erwartet einen dann aber kein verstaubtes Museum, sondern 200 Mbit Internet und ergonomische Stühle. Mit Duschen vor Ort (super nach einer Mittagspausen-Laufrunde) und der Nähe zum Bahnhof (3 Minuten zu Fuß) ist das logistisch ein Traum.
Urbaner Pulse: Kempten und Umgebung
Kempten ist die "Metropole" des Allgäus, auch wenn Berliner darüber vielleicht schmunzeln würden. Aber hier brummt der Motor der Region. Die Gründervilla ist hier der Platzhirsch für Vernetzung. Achtung, kleiner Insider-Hinweis: Die ziehen um. Ab September 2025 findet man sie in der Leonhardstraße 19, dann noch größer mit Café Bar. Bis dahin – und auch danach – ist das der Ort, wo man nicht nur arbeitet, sondern Leute trifft, die was reißen wollen. Es herrscht eine sehr macher-orientierte Stimmung.
Wer es lieber industriell-schick mag, sollte sich Einstein@Work in Kempten-St. Mang anschauen. Das Gebäude ist die alte "Medienfabrik Kottern" von 1870. Hohe Decken, Loft-Charakter, direkt an der Iller. Man kann in der Pause am Flussufer den Kopf freibekommen. Die Küche ist offen, was oft zu spontanen Gesprächen beim Kochen führt. Wer eher Startup-Hilfe braucht, schaut im AREA41 in Kempten-Thingers vorbei, wo es neben dem Schreibtisch oft auch Mentoring gibt.
Ein echtes Unikum – und mein persönlicher Geheimtipp für Leute mit Kindern oder Wohnmobil – liegt etwas nördlich in Dietmannsried: Der CoStall. Der Name ist Programm, aber auf die gute Art. Es ist familiär, es gibt Glasfaser, und im Garten steht eine Grillkota. Das ist so eine skandinavische Grillhütte, in der man den Arbeitstag am offenen Feuer ausklingen lassen kann. Sie haben sogar einen Wohnmobilstellplatz mit Strom. Das ist Gold wert, wenn man "Vanlife" lebt und nicht wild stehen will.
Ostallgäu: Seen, Schlösser und Schreibtische
Richtung Füssen und den Königsschlössern wird die Landschaft lieblicher, die Seen zahlreicher. Hier zieht es viele Touristen hin, aber man kann dem Trubel entkommen. Zum Beispiel im The White Lake am Weißensee. Der Name klingt international, der Blick ist ur-bayerisch: Seepanorama. Da fällt es fast schwer, auf den Bildschirm zu schauen. Ähnlich wassernah ist The Blue Studio am Forggensee. Beide gehören zum Netzwerk der Allgäu Coworking GmbH, was praktisch ist, weil man sich nicht ständig neu registrieren muss.
In Nesselwang, einem Ort, der sich sehr progressiv gibt, findet man The Red Loft. Nur fünf Minuten vom Bahnhof, was super ist, wenn man ohne Auto unterwegs ist (die "Außerfernbahn" ist eine landschaftlich schöne Strecke). Es ist sehr community-fokussiert; man muss sich kurz kennenlernen, bevor man den 24/7-Schlüssel kriegt. Das schafft Vertrauen und eine angenehme Arbeitsatmosphäre.
Nicht zu vergessen: Marktoberdorf. Mitten am Marktplatz liegt The Green Room. Klein, aber fein mit 89 Quadratmetern. Der grüne Teppich ist vielleicht Geschmackssache, aber er schluckt den Schall gut. Hier hängen inspirierende Sprüche an der Wand, aber wichtiger ist: Der Kaffee fließt und die Technik (Beamer, Drucker) funktioniert tadellos.
Der Norden und Westen: Unterschätzte Ecken
Oft übersehen, aber für Langzeitreisende spannend, weil weniger touristisch überlaufen, ist das Unterallgäu. In Kaufbeuren gibt es The Grey House. Der Fokus liegt hier ganz klar auf Ruhe und Privatsphäre. Keine riesigen Open-Spaces, sondern Einzelbüros und Nischen. Wer konzentriert Deep Work machen muss, ist hier richtig. Parkplätze sind direkt davor – im Allgäu ein nicht zu unterschätzender Faktor.
Ganz speziell wird es in Bad Wörishofen. Die Stadt ist bekannt für Pfarrer Kneipp und seine Wasserkuren. Das DYNO Lab greift das auf. Ein moderner Bau, viel Licht, und als absolutes Highlight: Zugang zu einem Kneippbecken. Kalte Armgüsse statt Espresso-Shot am Nachmittag wirken Wunder gegen das Suppenkoma, glaub mir.
Für die ganz Flexiblen, die vielleicht gerade am Flughafen Memmingen (FMM) ankommen oder abfliegen, gibt es den IX Airport Park in Memmingerberg. Meetingräume direkt am Flugfeld, aber mit Naturgarten. Das hat was Surreales, aber Funktionales. Und in Buxheim bei Memmingen bietet SO. Beratung einen fast intimen Space mit nur wenigen Plätzen und einer Küche, in der man sich wirklich wie zu Hause fühlt.
Ein praktischer Hinweis zum Netzwerk: Die Allgäu Coworking GmbH betreibt gleich acht Standorte (u.a. Kaufbeuren, Füssen, Nesselwang, Schongau). Das Modell ist clever: Ein Vertrag, viele Möglichkeiten. Ab 189 Euro im Monat ist man dabei, ohne Kaution. Für Nomaden, die mal hier, mal dort sein wollen, ist das die stressfreiste Option.
Schlafen, wo das WLAN glüht
Manchmal will man abends nicht mehr pendeln. Workation-Konzepte, also Schlafen und Arbeiten unter einem Dach, boomen auch hier. Wenn du hoch hinaus willst – also wirklich hoch – dann buch dich im Hotel Hubertus in Balderschwang ein. Das liegt auf 1044 Metern. Die Straße dorthin über den Riedbergpass ist im Winter ein Abenteuer, aber oben ist die Luft glasklar. Sie haben einen separaten Coworking-Space eingerichtet. Das WLAN schafft 20 MBit/s. Das reicht für Zoom, vielleicht nicht für riesige 4K-Uploads, aber der Infinity-Pool entschädigt für jede Sekunde Ladezeit.
Das Hotel Oberstdorf geht das Thema ebenfalls professionell an. Sie nennen es "Alpin Detox", bieten aber gleichzeitig helle Tagungsräume und Workation-Pakete. Der Wellnessbereich ist riesig (1500 m²). Die Idee ist: Vormittags Power-Work, nachmittags Sauna. Funktioniert erstaunlich gut.
Wer es exklusiver und privater mag, schaut sich die Berg und Tal Allgäu-Lofts in Pfronten an. Das ist kein Schnäppchen (ab 155 Euro die Nacht), aber du kriegst dafür ein Apartment mit Highspeed-WLAN und Büroausstattung wie Flipcharts, wenn du sie brauchst. Der Blick vom Balkon ist pures Kino. Und wenn der Hunger kommt, fährt dich ein Chauffeur zum Essen ins benachbarte Hotel. Dekadent? Vielleicht. Produktiv? Absolut.