Die Region bietet eine grandiose Kulisse für den Urlaub mit Hund, wenn man sich von der naiven Vorstellung löst, dass der Hund einfach „mitläuft“. Man muss für ihn mitdenken, vorausschauend gehen und die Regeln der Landwirtschaft respektieren. Wer das tut, wird mit einer tiefen Zufriedenheit belohnt, wenn beide – Mensch und Tier – abends müde und glücklich in die Federn fallen.
Das Weidevieh: Begegnungen der dritten Art
Es ist das Postkartenmotiv schlechthin: Braunes Fleckvieh steht kauend auf einer grünen Matte, im Hintergrund die grauen Spitzen der Alpen. Für den Wanderer ohne Anhang ist das idyllisch. Hast du jedoch einen Vierbeiner an der Leine, ändert sich die Dynamik dieser Szenerie schlagartig. Kühe sind neugierig, Mutterkühe sind beschützend, und Hunde sind für sie primär eines: potenzielle Wölfe. Im Allgäu weiden im Sommer tausende Rinder auf den Alpen, oft ohne Zäune direkt am Wanderweg. Besonders die Jungtiere, hier liebevoll „Schumpen“ genannt, testen gerne ihre Grenzen aus.
Wenn so eine 400-Kilo-Herde auf dich zukommt, hilft kein gutes Zureden. Wichtig ist, die Situation frühzeitig zu scannen. Fixieren die Tiere den Hund? Kommen sie trabend näher? Dann bloß nicht stehenbleiben oder hektisch rennen. Geh zügig, aber ruhig weiter. Ein großer Bogen um die Herde ist immer die klügere Wahl, auch wenn du dafür mal fünfzig Meter durch matschiges Gras stapfen musst. Die goldene Regel, die Leben retten kann, lautet: Wenn eine Kuh angreift, lass die Leine los. Dein Hund ist schneller als das Rindvieh und bringt sich selbst in Sicherheit. Du bist ohne den „Wolf“ an deiner Seite für die Kuh schlagartig uninteressant.
Trittsicherheit auf vier Pfoten: Wege und Untergründe
Nicht jeder Weg, der für Menschen als „leicht“ markiert ist, taugt für jeden Hundetyp. Das Allgäu ist berüchtigt für seine Tobel – tief eingeschnittene Schluchten mit Wasserfällen und engen Pfaden. Orte wie die Breitachklamm oder der Eistobel sind landschaftlich wuchtig, aber der Untergrund hat seine Tücken. Oft bestehen die Wegestege aus Gitterrosten. Für viele Hunde ist der Blick durch die Pfoten in den tosenden Abgrund der pure Horror. Sie stemmen die Beine in den Boden und keinen Millimeter geht es weiter. Wenn dein Hund nicht tragbar ist oder Hundeschuhe kennt, werden solche Ausflüge schnell zur Sackgasse.
Auch das Gestein in höheren Lagen, etwa am Nebelhorn oder Hochvogel, ist oft scharfkantig. Kalkstein kann wie Schmirgelpapier wirken. Nach drei Tagen intensiver Wandertouren sind die Ballen von Stadthunden oft wundgelaufen. Ein Blick auf die Pfoten am Abend gehört zur Routine dazu, Fettcreme im Rucksack ebenso. Man vergisst leicht, dass der Hund die doppelte Schrittzahl macht, weil er ständig vor und zurück pendelt.
Die Sache mit der Leinenpflicht und dem Jagdtrieb
In den Naturschutzgebieten, und davon gibt es im Allgäu reichlich, ist die Sache klar: Der Hund gehört an die Leine. Punkt. Doch auch außerhalb dieser Zonen ist Vorsicht geboten. Die Allgäuer Wälder sind voll mit Wild. Rehe stehen oft erst in der Dämmerung auf den Lichtungen, aber Gämsen turnen auch tagsüber in steilen Hängen herum. Ein Hund, der im steilen Gelände einer Gams nachsetzt, bringt sich in Lebensgefahr. Die Gams ist im Fels zu Hause, der Hund rutscht ab.
Dazu kommt die Perspektive der Einheimischen. Jäger und Waldbesitzer verstehen wenig Spaß, wenn „Fiffi“ mal eben durch die Schonung pflügt. Der Respekt vor dem Eigentum anderer und der Natur sollte selbstverständlich sein, wird aber oft vergessen, wenn die Urlaubslaune kickt. Übrigens gilt in vielen Gemeinden innerorts eine strikte Leinenpflicht, die auch kontrolliert wird. Die Strafzettel sind teuer und das Geld investiert man lieber in einen ordentlichen Kaiserschmarrn.
Bergbahnen und Busse: Ohne Maulkorb läuft nichts
Wer glaubt, er könne seinen Hund einfach so in jede Gondel schieben, wird an der Talstation sein blaues Wunder erleben. Nahezu alle Bergbahnen im Oberallgäu und Ostallgäu verlangen einen Maulkorb. Und zwar nicht nur in der Tasche, sondern auf der Schnauze. Das gilt oft auch dann, wenn der Hund so klein ist, dass er in eine Handtasche passt. Es geht hier weniger um die tatsächliche Beißgefahr, sondern um die Versicherungspflicht und das Sicherheitsgefühl der anderen Fahrgäste, die sich in der engen Kabine vielleicht unwohl fühlen.
Gewöhne deinen Hund also schon Wochen vor dem Urlaub an das Draht- oder Plastikgestell. Nichts ist stressiger als ein panischer Hund an der Talstation der Fellhornbahn, der sich mit allen Vieren gegen das ungewohnte Ding im Gesicht wehrt. Dazu kommt der finanzielle Aspekt: Hunde fahren selten umsonst. Für die Nebelhornbahn oder den Bus ins Kleinwalsertal muss ein Ticket gelöst werden. Kleingeld oder Karte bereithalten spart Nerven in der Schlange.
Wasser marsch: Abkühlung und Trinketikette
Im Sommer knallt die Sonne im Allgäu ordentlich, und Schatten ist oberhalb der Baumgrenze Mangelware. Dein Hund braucht Wasser, viel Wasser. Verlasse dich niemals darauf, dass Bäche Wasser führen; im Hochsommer sind viele Rinnsale ausgetrocknet oder führen nur trübe Brühe. Du musst also schleppen. Mindestens einen Liter extra solltest du für den Hund einplanen.
Ein heikles Thema sind die Viehtröge. Es sieht verlockend aus: Ein massiver Holztrog, gefüllt mit klarem Quellwasser. Doch lass deinen Hund nicht daraus trinken und schon gar nicht darin baden, es sei denn, das Wasser fließt direkt danach in den Boden ab. Viele Tröge sind Teil eines Systems, aus dem Kühe trinken müssen. Verunreinigtes Wasser durch Hundespeichel oder Dreckpfoten finden die Älpler gar nicht witzig. Es ist eine Frage des Anstands, hier Rücksicht zu nehmen. Für den Badespaß gibt es den Alpsee, den Forggensee oder zahllose wilde Stellen an der Iller, wo Hunde willkommen sind und niemanden stören.
Hinterlassenschaften: Das Tütchen-Problem
Es klingt banal, ist aber der Aufreger Nummer eins in der Region. Die Wiesen im Allgäu sind keine bloße Dekoration, sie sind Futter. Das Gras wird gemäht und landet als Heu oder Silage im Kuhmagen. Hundekot im Futter kann bei Rindern zu Fehlgeburten führen (Neospora caninum). Deshalb: Tüte raus, Haufen rein. Und jetzt kommt der entscheidende Teil: Nimm die Tüte mit! Nichts ist absurder und umweltschädlicher als gefüllte Plastikbeutel, die am Wegesrand oder im Gebüsch „entsorgt“ werden. In der Bergluft verrottet Plastik nicht, es bleibt als Mahnmal menschlicher Faulheit liegen. Wenn kein Mülleimer da ist, muss das Päckchen eben bis ins Tal getragen werden. Es gibt spezielle Behälter für den Rucksack, die geruchsdicht schließen – eine Investition, die sich lohnt.
Unterkünfte und Einkehr: Willkommen oder nur geduldet?
Das Allgäu stellt sich zunehmend auf Urlauber mit Hund ein, aber blind buchen ist riskant. „Haustiere erlaubt“ heißt oft nur, dass der Hund im Zimmer sein darf, aber nicht im Restaurant oder Frühstücksraum. In vielen traditionellen Gasthöfen mit engen holzgetäfelten Stuben ist der Platz unter dem Tisch begrenzt. Wenn dann noch der Hofhund des Wirts frei herumläuft, ist Stress vorprogrammiert. Frage lieber einmal zu viel nach, ob der Hund auch abends mit zum Essen darf.
Auf den Berghütten ist die Lage noch spezieller. Übernachtungen im Matratzenlager sind mit Hund aus hygienischen Gründen fast überall verboten. Manche Hütten bieten separate Zimmer an, wo der Hund mitdarf, aber das ist die Ausnahme, nicht die Regel. Wer eine Hüttentour plant, muss diese Monate im Voraus akribisch organisieren. Tagesgäste auf der Hütte sind hingegen mit Hund fast immer gern gesehen, solange der Vierbeiner nicht die Hauskatze jagt oder die Hühner aufscheucht.
Wetterkapriolen und Ausrüstung
Das Wetter im Allgäu macht, was es will. Ein sonniger Morgen kann mittags in ein heftiges Gewitter umschlagen. Hunde spüren den Druckabfall oft früher als wir. Wenn dein Hund nervös wird, such Schutz oder steig ab. Gewitter in den Bergen sind laut, grell und für Hunde oft traumatisch. Auch die Temperaturstürze sind nicht zu unterschätzen. Ein nasser Hund, der bei einer Rast im kühlen Wind liegt, holt sich schnell eine Blasenentzündung oder verkrampfte Muskeln. Ein leichtes Handtuch oder ein kleiner Mantel für die Pause wiegt fast nichts, bringt aber viel.