Oberallgäu & Allgäuer Alpen

Die Deutsche Alpenstraße: Der schönste Roadtrip durchs Ost- und Oberallgäu

Die Deutsche Alpenstraße durchs Ost- und Oberallgäu ist kein Geheimtipp, das wäre gelogen. Aber sie ist ein Klassiker, der seinen Ruf zurecht hat. Es geht nicht darum, schnell anzukommen. Fahr langsam, halt an, wo es dir passt, und lass dich nicht von den Dränglern nerven.

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Zwischenablage

Es gibt Straßen, die bringen dich von A nach B, und dann gibt es die Deutsche Alpenstraße. Im Ost- und Oberallgäu ist sie weniger eine Verkehrsader als vielmehr eine Bühne. Der Asphalt klebt förmlich an den Hängen, während sich das Panorama vor der Windschutzscheibe aufbaut wie eine gut inszenierte Theaterkulisse. Man muss kein Romantiker sein, um zu verstehen, warum diese Route als älteste Ferienstraße Deutschlands gilt, aber man sollte wissen, worauf man sich einlässt. Vor allem, wenn man nicht im klimatisierten Reisebus sitzt, sondern das Verdeck offen hat, den Lenker fest im Griff hält oder versucht, ein sieben Meter langes Wohnmobil durch eine Spitzkehre zu zirkeln.

Starten wir gedanklich dort, wo es technisch anspruchsvoll wird: im Oberallgäu bei Bad Hindelang. Wer hier den Motor startet, hat meistens schon ein Grinsen im Gesicht oder leichte Schweißperlen auf der Stirn. Es riecht hier unten im Tal oft noch nach schwerer Landluft, eine Mischung aus Kuhstall und feuchter Wiese, aber sobald die Steigung beginnt, übernimmt der Geruch von Kiefernnadeln und heißem Bremsbelag. Das Ziel ist Füssen, aber der Weg dahin ist das eigentliche Brett.

Der Jochpass: 106 Kurven für die Ewigkeit

Man kann über deutsche Ingenieurskunst sagen, was man will, aber der Jochpass ist ein Meisterwerk. Er schraubt sich von Bad Hindelang hinauf nach Oberjoch und ist für Motorradfahrer so etwas wie der Heilige Gral im Voralpenland. 106 Kurven. Das ist keine Marketingzahl, das hat mal jemand nachgezählt, der offensichtlich zu viel Zeit hatte. Für Biker bedeutet das: Schräglage bis das Trittbrett funkt. Cabrio-Fahrer sollten hier den zweiten oder dritten Gang ausdrehen und einfach nur dem Sound des eigenen Motors lauschen, der von den Felswänden widerhallt. Es ist laut, es ist eng, und es macht süchtig.

Camper und Wohnmobile müssen hier allerdings Nerven aus Stahlseilen haben. Die Straße ist breit genug, ja, aber wenn dir in einer unübersichtlichen Kehre ein übermotivierter Motorradfahrer auf deiner Spur entgegenkommt, wird es kuschelig. Mein Tipp: Wer mit dem schweren Schiff unterwegs ist, sollte die frühen Morgenstunden nutzen. Wenn die Sonne gerade über die Gipfel kriecht und der Nebel noch im Ostrachtal hängt, gehört die Straße dir fast allein. Später am Tag wird es hier zugehen wie am Stachus.

Oben angekommen, kurz vor der Grenze zu Tirol, gibt es einen Pflichtstopp: die Kanzel. Das ist ein kleiner Parkplatz an der letzten Kehre. Von hier aus sieht die Straße aus wie eine achtlos weggeworfene graue Luftschlange im grünen Teppich. Das Foto muss sein. Es ist der Beweis, dass du den Berg bezwungen hast. Hier pfeift der Wind meistens ordentlich, also Mütze auf oder Verdeck zu, wenn du empfindlich bist.

Durchs Tannheimer Tal oder direkt nach Wertach?

Hier scheiden sich die Geister und die Navigationssysteme. Die offizielle Route macht oft einen Schlenker, aber viele Einheimische und Kenner kürzen über das österreichische Tannheimer Tal ab, um dann wieder ins Ostallgäu zu stechen. Wir bleiben aber mal puristisch auf der deutschen Seite und rollen über Unterjoch Richtung Wertach. Die Landschaft ändert hier ihren Charakter. Das Dramatische, Felsige weicht sanfteren Hügeln, die fast schon kitschig grün sind. Manchmal fragt man sich, ob die Wiesen hier nachts heimlich lackiert werden.

Die Strecke entlang des Grüntensees ist für Genussfahrer. Hier kannst du den Tempomat reinnehmen und den Arm aus dem Fenster hängen lassen. Das Wasser glitzert links (oder rechts, je nach Fahrtrichtung), und im Hintergrund bauen sich die Tannheimer Berge auf. Für Camper ist der Grüntensee übrigens ein erstklassiger Spot für eine Pause. Es gibt Parkplätze, die groß genug sind, um nicht rangieren zu müssen, bis die Kupplung qualmt. Pack die Stühle aus, mach dir einen Kaffee und schau den Seglern zu.

Nesselwang und Pfronten: Der Vorgarten der Alpen

Weiter geht es auf der B309. Nesselwang und Pfronten sind Orte, die man oft unterschätzt, weil alle nur schnell nach Füssen wollen. Fehler. Großer Fehler. Gerade Pfronten bietet mit den Ruinen der Burg Falkenstein ein Motiv, das düsterer und ehrlicher wirkt als die polierten Schlösser weiter östlich. Es ist Deutschlands höchstgelegene Burgruine. Die Straße da hoch ist allerdings für Wohnmobile gesperrt – zu steil, zu eng. Wer mit dem Bike oder einem wendigen PKW unterwegs ist: Hochfahren. Die Aussicht oben ist, um es mal auf gut Bayerisch zu sagen, eine "Schau". Du siehst das gesamte Voralpenland ausgebreitet wie eine Landkarte.

In diesem Abschnitt merkt man auch, wie sich die Architektur verändert. Die Häuser werden breiter, die Dächer flacher, die Blumenkästen an den Balkonen üppiger. Es ist diese typische Allgäuer Gemütlichkeit, die einen fast zwingt, irgendwo anzuhalten und sich eine Leberkässemmel zu holen. Das gehört dazu. Kulinarik "to go" ist auf einem Roadtrip sowieso meistens besser als jedes weiße Tischtuch.

Das große Finale: Füssen und der Königswinkel

Sobald man den Weißensee passiert, steigt der Puls wieder. Nicht wegen der Kurven, sondern wegen des Verkehrs. Wir nähern uns Füssen. Hier wird die Deutsche Alpenstraße zum Nadelöhr. Im Sommer schieben sich hier Blechlawinen durch, die Kennzeichen verraten Besucher aus halb Europa. Geduld ist jetzt dein bester Freund. Aber: Der Blick entschädigt für das "Stop-and-Go".

Plötzlich tauchen sie auf. Hohenschwangau in Gelb und Neuschwanstein, der weiße Riese, der auf dem Felsen klebt. Man hat es tausendmal auf Bildern gesehen, auf Puzzles, auf Tassen. Aber wenn du mit dem eigenen Fahrzeug darauf zurollst, hat das eine Wucht, die dich packt. Für das perfekte Foto ohne die üblichen Touristenmassen habe ich einen speziellen Rat: Fahr zur Kirche St. Coloman. Die steht einsam auf einem weiten Feld bei Schwangau, vor der Kulisse der Berge und der Schlösser. Das Licht am späten Nachmittag, wenn die Sonne die Berge rot anstrahlt – das sogenannte Alpenglühen –, ist hier phänomenal. Park dein Cabrio oder Bike im Vordergrund, die Kirche in der Mitte, die Berge hinten. Klick. Das Bild gewinnt jeden Wettbewerb.

Parken und Übernachten: Die ungeschminkte Realität

Lass uns Tacheles reden. Mit dem Camper in Füssen oder direkt an den Königsschlössern zu parken, ist oft ein Albtraum und teuer dazu. Die Parkwächter sind effizient, aber humorlos. Mein Tipp für Camper-Kapitäne: Meidet die großen Parkplätze direkt am Ticketcenter, wenn ihr nicht früh morgens da seid. Sucht euch lieber einen Stellplatz etwas außerhalb, zum Beispiel am Forggensee, und nehmt das Fahrrad oder den Bus. Das entspannt ungemein.

Apropos Forggensee: Das ist der fünftgrößte See Bayerns, aber eigentlich ein Stausee. Im Winter ist er oft leer, eine Mondlandschaft aus Schlamm und Kies. Aber im Sommer? Ein Traum in Türkis. Die Straße am Ostufer bietet immer wieder Haltebuchten. Für Motorradfahrer ist das der ideale Ort, um die Stiefel auszuziehen und die Füße ins Wasser zu halten. Es ist dieser Moment, wenn der Motor noch knistert, weil er abkühlt, und du das kalte Wasser an den Zehen spürst – das ist Roadtrip-Feeling pur.

Wann fahren? Ein Wort zur Zeitplanung

Jeder Reiseführer sagt dir: "Fahr im Frühling oder Herbst". Das stimmt auch, aber seien wir ehrlich, die meisten haben im Sommer Urlaub. Wenn du im Juli oder August fährst, dann antizyklisch. Die Straßen sind zwischen 11 und 16 Uhr voll. Nutze die Ränder des Tages. Ein Sonnenaufgang auf dem Jochpass oder eine Fahrt in die blaue Stunde hinein am Hopfensee ist atmosphärisch sowieso dichter als alles, was du in der Mittagshitze erlebst. Außerdem ist das Licht für Fotos dann nicht so hart.

Und noch was zur Ausrüstung: Im Allgäu kann das Wetter schneller umschlagen, als du "Kruzifix" sagen kannst. Gerade noch Sonne, zehn Minuten später Weltuntergang mit Hagel. Cabriofahrer sollten also wissen, wie ihr Verdeck schnell zugeht, und Biker sollten die Regenkombi nicht ganz unten im Koffer vergraben haben.

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