Welcher Wochenmarkt ist der beste im Allgäu? Das ist so, als müsste man sich zwischen Kässpatzen und Maultaschen entscheiden. Es kommt auf die Tagesform an. Wangen gewinnt den Pokal für Vielfalt und Atmosphäre. Es ist ein Event. Isny ist der Sieger der Herzen für alle, die Regionalität ernst nehmen und dem Rummel entgehen wollen. Füssen punktet mit der Optik und dem internationalen Flair. Am besten ist es, man macht es wie die Einheimischen: Man legt sich nicht fest. Diese Woche Wangen für den Großeinkauf, nächste Woche Isny für den speziellen Käse und wenn Besuch von außerhalb da ist, ab nach Füssen zum Staunen.
Der Mittwoch gehört Wangen: Ein Fest für die Sinne und die Ellenbogen
Sobald die Turmuhr schlägt, verwandelt sich die historische Altstadt von Wangen in einen Ameisenhaufen, der allerdings deutlich besser riecht. Der Wangener Wochenmarkt ist kein Geheimtipp, er ist eine Institution. Das merkt man sofort an der Parkplatzsuche, die man getrost als sportliche Herausforderung bezeichnen kann. Aber der Aufwand lohnt sich. Wenn man sich erst einmal durch das Stadttor geschoben hat, steht man mitten in einer Reizüberflutung der angenehmen Art. Hier gibt es fast nichts, was es nicht gibt.
Anders als bei vielen kleineren Märkten, die oft nur aus drei Alibi-Gemüseständen und einem Hähnchenwagen bestehen, klotzt Wangen richtig ran. Der Markt schlängelt sich durch die Gassen, vorbei am Rathaus und hinüber zum Postplatz. Das Angebot ist fast schon unverschämt breit. Natürlich dominieren die lokalen Erzeuger: Bauern aus dem Umland, die ihre Kisten mit erdbehafteten Kartoffeln und riesigen Kohlköpfen aufbocken. Aber dazwischen mischt sich ein Hauch von Internationalität, der Wangen gut zu Gesicht steht. Ein Stand mit Südtiroler Speck hier, Oliven und Schafskäse in Fässern dort, und irgendwo brutzelt immer etwas Fettiges.
Was Wangen auszeichnet, ist die soziale Komponente. Man geht hier nicht nur hin, um den Kühlschrank zu füllen. Man geht hin, um gesehen zu werden und um den neuesten Tratsch auszutauschen. Zwischen den Ständen bilden sich immer wieder kleine Menschentrauben, die den Verkehrsfluss blockieren. Das gehört dazu. Wer es eilig hat, hat hier eigentlich nichts verloren. Man muss sich treiben lassen. Auffällig ist die Qualität der Blumen- und Pflanzenhändler, die den grauen Pflastersteinen ordentlich Farbe verpassen. Ein subjektiver Eindruck drängt sich jedoch auf: Wangen ist laut. Es ist das geschäftige Summen einer Stadt, die sich ihrer Bedeutung als Mittelzentrum bewusst ist. Wer meditative Stille beim Gemüsekauf sucht, ist hier falsch. Wer aber das pralle Leben will und bereit ist, für ein gutes Bauernbrot auch mal fünf Minuten anzustehen, der wird Wangen lieben. Nach dem Einkauf ist der Gang zum „Fidelisbäck“ fast schon gesetzlich vorgeschrieben – ein Leberkäswecken auf die Hand, und die Welt ist in Ordnung.
Donnerstags in Isny: Klein, fein und ein bisschen öko
Nur einen Tag später und ein paar Kilometer weiter östlich zeigt sich ein ganz anderes Bild. Isny im Allgäu, oft ein wenig im Schatten der bekannteren Nachbarn, bietet am Donnerstagvormittag einen Markt, der das genaue Gegenteil von Wangens wuseligem Treiben darstellt. Der Marktplatz vor der Kulisse des Rathauses und der beiden Kirchen wirkt aufgeräumter, ruhiger, fast schon intim. Isny hat ja historisch gesehen schon immer sein eigenes Ding gemacht – freie Reichsstadt und so weiter –, und diese leichte Eigenbrötlerei spiegelt sich positiv im Markt wider.
Hier findet man weniger die großen Händler, die ihre Ware palettenweise anpreisen, sondern eher die kleinen Direktvermarkter. Der Fokus liegt spürbar auf „Bio“ und Regionalität, ohne dass es einem dogmatisch aufgedrängt wird. Es wirkt authentisch. Man kauft hier nicht bei einem anonymen Verkäufer, sondern oft direkt beim Erzeuger, der einem auch genau erklären kann, warum die Karotten dieses Jahr etwas kleiner ausgefallen sind. Der Boden rund um Isny ist karg, das Klima rauer, das schmeckt man den Produkten im besten Sinne an. Sie sind konzentrierter.
Ein besonderes Highlight in Isny ist die Käsereivielfalt. Da die Stadt direkt an das voralpine Hügelland grenzt, ist der Weg von der Kuh zur Theke extrem kurz. Der Bergkäse, den man hier bekommt, hat oft noch die richtige „Wumms“-Note, die man im Supermarkt vergeblich sucht. Es ist faszinierend zu beobachten, wie viel Zeit sich die Menschen hier nehmen. Das Gespräch über das Wetter – in Isny traditionell ein leidiges Thema, weil es oft regnet oder schneit – ist obligatorisch. Man hört den Allgäuer Dialekt hier noch etwas breiter, etwas unverfälschter. Es ist ein „gscheider“ Markt für Leute, die genau wissen, was sie kochen wollen. Man findet vielleicht keine zehn Sorten exotischer Melonen, aber dafür Äpfel von Streuobstwiesen, die noch aussehen wie Äpfel und nicht wie polierte Billardkugeln. Der Isnyer Markt ist entspannt. Man rempelt niemanden an. Es ist der Markt für den bewussten Genießer, der dem Trubel entfliehen will.
Füssen: Einkaufen vor Postkartenkulisse
Und dann ist da noch Füssen. Wer in Füssen auf den Markt geht, muss sich erst einmal von der Kulisse lösen. Das Hohe Schloss thront über der Szenerie, die engen Gassen der Altstadt rahmen das Geschehen ein – es ist fast schon kitschig schön. Der Markt findet in der Regel am Donnerstag (Schrannenplatz) oder auch als Bauernmarkt am Freitag statt, wobei die Termine je nach Saison und Veranstaltungen leicht variieren können. Füssen hat eine Sonderrolle. Durch die Nähe zu den Königsschlössern ist die Stadt immer voll mit internationalen Gästen. Das prägt auch den Markt, aber anders, als man vielleicht befürchtet.
Man könnte erwarten, dass hier nur noch Souvenirs und überteuerte Brezeln verkauft werden. Doch überraschenderweise hat sich der Füssener Markt eine bodenständige Seele bewahrt. Er ist der Spagat zwischen touristischer Attraktion und lokaler Versorgung. Natürlich hört man hier mehr Englisch, Italienisch und Japanisch als in Isny oder Wangen. Und ja, an manchem Stand liegen die Preise vielleicht einen Ticken höher, weil man das Ambiente mitbezahlt. Aber das Angebot an frischen Lebensmitteln ist solide. Besonders das Angebot an geräucherten Waren, wie Landjäger oder Kaminwurzen, sticht hervor – ideale Wegzehrung für Wanderer, die danach in die Berge wollen.
Spannend ist dabei die Mischung des Publikums. Da steht die einheimische Oma mit ihrem Hackenporsche neben dem Backpacker aus Australien, der fasziniert auf einen Laib Käse starrt. Diese Dynamik macht den Reiz aus. Füssen wirkt weltläufiger. Man findet hier auch eher mal italienische Feinkosthändler, was historisch durch die Via Claudia Augusta fast schon logisch erscheint. Der Markt ist kleiner als in Wangen, aber lebendiger als in Isny. Ein Manko ist jedoch die Enge an manchen Tagen. Wenn eine Reisegruppe durchgeschleust wird, kann es am Käsestand schon mal eng werden. Doch wer früh kommt, hat die Morgenstimmung und den Blick auf das Schloss fast für sich allein. Das Licht, das morgens in die Gassen fällt, lässt das Gemüse fast schon kunstvoll leuchten.
Der Warenkorb-Vergleich: Wo landet was im Netz?
Wenn wir die Märkte direkt nebeneinanderlegen, kristallisieren sich klare Profile heraus. Wangen ist der Vollsortimenter. Hier kriegt man alles, vom Knopf für die Hose bis zum Sonntagsbraten. Es ist der Markt für den Großeinkauf, bei dem man auch noch Geschenke und Haushaltswaren findet. Isny ist die Speisekammer für Puristen. Hierher fährt man für spezielle Kartoffelsorten, für Honig direkt vom Imker aus der Adelegg und für Fleisch aus Weidehaltung. Es ist weniger Show, mehr Substanz. Füssen hingegen ist das Erlebnis. Man kauft hier Kleinigkeiten, Snacks, Dinge, die man sofort verzehren kann oder die sich gut im Rucksack machen, während man das Panorama genießt.
Preislich nehmen sich die Märkte nicht viel, Qualität hat im Allgäu ihren Preis. Wer Billigware sucht, ist auf Wochenmärkten ohnehin falsch. Doch gefühlt bekommt man in Isny oft das meiste Gramm Produkt für den Euro, einfach weil der touristische Aufschlag fehlt. In Wangen zahlt man für die riesige Auswahl und die Infrastruktur mit. In Füssen zahlt man, böse gesagt, den „Neuschwanstein-Soli“ an manchen Ecken mit, aber das Flair entschädigt dafür.
Praktische Überlebens-Tipps für Markt-Neulinge
Egal für welchen Markt Du Dich entscheidest, ein paar Regeln gelten überall im Allgäu. Erstens: Bargeld lacht. Zwar zücken immer mehr junge Marktbeschicker das Kartenlesegerät, aber bei der älteren Bäuerin mit den besten Radieschen kommst Du mit Apple Pay nicht weit. Zweitens: Der frühe Vogel fängt den Wurm, oder in diesem Fall das beste Brot. Besonders in Wangen sind die beliebtesten Backwaren (Stichwort: Seelen) oft schon um 10 Uhr vergriffen. Wer erst zum Mittagsläuten aufschlägt, muss nehmen, was übrig ist.
Ein Korb ist Pflicht. Plastiktüten sind verpönt und outen Dich sofort als Amateur. Und noch etwas zur Etikette: Probieren ist erlaubt, aber bitte erst nach Augenkontakt und einem freundlichen Nicken des Händlers. Einfach in die Olivenschale greifen? Das macht man hier nicht. Wenn man aber höflich fragt, bekommt man oft nicht nur ein Stück Käse zum Kosten, sondern gleich die ganze Lebensgeschichte des Senner dazu.