Golfen im Allgäu ist eine ehrliche Arbeit. Wer von den flachen, brettebenen Plätzen des Nordens oder den sandigen Links-Courses der Küste kommt, muss sich hier unten im Süden erst einmal neu kalibrieren. Die Landschaft ist nämlich nicht einfach nur Kulisse, sie ist der entscheidende Mitspieler. Man steht am Tee, will den Driver zücken und merkt plötzlich, dass das Fairway nicht da liegt, wo es physikalisch sinnvoll wäre, sondern sich an einen Hang schmiegt, der im Winter als rote Skipiste durchgehen würde. Das Panorama ist dabei Fluch und Segen zugleich. Manchmal vergisst man über dem Anblick der Allgäuer Hochalpen schlichtweg die Konzentration, und der Ball verschwindet auf Nimmerwiedersehen in einem Biotop, das so dicht bewachsen ist, dass selbst ein Suchhund kapitulieren müsste.
Es geht in diesem Ranking nicht um den Pflegezustand der Grüns, der im Allgäu ohnehin meist auf einem fast schon peniblen Niveau ist. Es geht um den Wow-Effekt. Um Plätze, bei denen man das Smartphone öfter für ein Foto zückt als für die digitale Scorekarte. Wir schauen uns die Anlagen an, bei denen die Berge zum Greifen nah sind und wo die Luft so dünn wird, dass der Ball angeblich weiter fliegt – wenn man ihn denn sauber trifft.
Der König der Aussicht: Golfclub Waldegg-Wiggensbach
Man muss diesen Platz einfach erwähnen, wenn es um Superlative geht, auch wenn er rein geografisch noch nicht ganz im tiefsten Hochgebirge liegt. Aber Waldegg-Wiggensbach hält einen Rekord, auf den die Betreiber zu Recht stolz sind: Hier befindet sich der höchste Abschlag Deutschlands. Auf über 1.000 Metern Meereshöhe steht man da, und an klaren Tagen, wenn der Föhn die Luft blankgeputzt hat, sieht man nicht nur die Allgäuer Alpen. Der Blick reicht weit hinein in die Schweiz und nach Österreich, bis zum Säntis und der Zugspitze. Das hat schon was Erhabenes.
Der Platz selbst ist ein ziemlicher Charakterkopf. Die ersten Löcher sind nichts für schwache Nerven oder untrainierte Waden. Es geht bergauf und bergab, dass einem hören und sehen vergeht. Wer hier sein Bag trägt, spart sich das Fitnessstudio für den Rest der Woche. Taktisch ist der Kurs ein Biest. Die Schräglagen zwingen einen dazu, den Ball fast nie von einer ebenen Fläche zu spielen. Man steht immer irgendwie schief. Einheimische Golfer grinsen oft nur milde, wenn Gastspieler an den ondulierten Grüns verzweifeln. Es ist dieser typische Allgäuer Humor: freundlich, aber direkt. Nach der Runde sitzt man auf der Terrasse, die fast wie eine Kanzel über der Landschaft schwebt, und spätestens beim ersten Weizenbier ist der Ärger über den verzogenen Drive an der Drei verflogen. Die Weite des Blicks beruhigt ungemein.
Oberstaufen-Steibis: Golfen in der Kuhglocken-Zone
Weiter westlich, in der Nähe von Oberstaufen, wird die Sache dann richtig alpin. Der Golfclub Oberstaufen-Steibis liegt mitten im Naturpark Nagelfluhkette. Die Anfahrt allein ist schon ein kleines Abenteuer, man kurvt die Straße hinauf Richtung Imberg und fragt sich kurz, ob das Navi wirklich Recht hat. Oben angekommen, öffnet sich ein Kessel, der landschaftlich kaum zu toppen ist. Hier spielen Felsformationen und saftige Bergwiesen die Hauptrolle. Und Kühe. Viele Kühe.
Es ist keine Seltenheit, dass das Bimmeln der Kuhglocken das einzige Geräusch ist, das man hört. Manchmal stehen die Tiere direkt am Weidezaun neben dem Fairway und kauen stoisch wieder, während man versucht, einen komplizierten Chip aus dem Rough zu retten. Der Platz in Steibis ist berühmt für seine Höhenunterschiede. Es gibt Löcher, da schlägt man tief ins Tal hinunter, der Ball ist ewig in der Luft, vor einem Hintergrund aus dunkelgrünen Tannen und grauem Fels. Das berühmte "Hochgrat" schaut einem quasi ständig über die Schulter. Wer hier zu Fuß geht, sollte gut zu Fuß sein. Ein Elektro-Trolley oder gleich ein Cart sind keine Schande, sondern pure Vernunft, besonders an heißen Sommertagen, wenn die Sonne in den Kessel brennt. Die Luft hier oben riecht anders, würziger, irgendwie nach Kräutern und feuchter Erde. Ein "Schmankerl" ist der Platz vor allem im Herbst, wenn sich das Laub der wenigen Laubbäume verfärbt und der Kontrast zum Fels noch härter wird.
Die Sonnenalp: Luxus vor Felskulisse
Wer es etwas weniger rustikal und dafür mondäner mag, landet unweigerlich im Oberallgäu bei Ofterschwang. Das Golfresort Sonnenalp und der benachbarte Golfclub Oberallgäu bilden so etwas wie das golferische Epizentrum der Region. Hier ist alles eine Spur polierter. Die Sonnenalp gilt als einer der traditionsreichsten Plätze Deutschlands, und das spürt man. Alter Baumbestand säumt die Spielbahnen, alles wirkt gepflegt wie in einem englischen Landschaftsgarten, nur dass im Hintergrund eben nicht flache Hügel, sondern die massiven Hörner-Gruppen und das Rubihorn aufragen.
Der Platz "Oberallgäu" liegt etwas höher und bietet dadurch die spektakuläreren Sichtachsen. Besonders die Bahnen, die sich am Hang entlangziehen, bieten diesen unverstellten Blick auf den Allgäuer Hauptkamm. Es ist fast kitschig schön. Man steht am Tee, unten im Tal liegt Sonthofen oder Fischen, und gegenüber bauen sich die Berge auf wie eine Wand. Der Pflegezustand ist hier oft makellos, die Fairways teppichartig. Das macht das Spiel aber nicht unbedingt leichter, denn die Grüns sind pfeilschnell. Hier trifft man oft auf Golfer, die das Spiel sehr ernst nehmen, aber die entspannte Allgäuer Art färbt auch auf die ambitioniertesten Spieler ab. Nach der Runde ist der Service im Clubhaus exzellent, man merkt die Nähe zum Fünf-Sterne-Resort. Aber keine Sorge, man muss keinen Smoking tragen. Ein sauberes Polo reicht völlig.
Geheimtipp im Ostallgäu: Auf der Gsteig
Ein Stück weiter östlich, schon fast an der Grenze zu Oberbayern bei Lechbruck, liegt die Anlage "Auf der Gsteig". Man vergisst diesen Platz gerne mal, wenn man nur auf die großen Namen schaut, aber das ist ein Fehler. Die Lage ist nämlich, gelinde gesagt, der Wahnsinn. Der Platz liegt auf einer Anhöhe direkt über dem Lechsee. Man hat also Wasser und Berge in einer Kombination, die man sonst eher aus Kanada kennt. Bei gutem Wetter sieht man die Tannheimer Berge und die Ammergauer Alpen in voller Breitseite.
Der Platz selbst ist in die Endmoränenlandschaft hineingebaut. Das bedeutet: Es ist hügelig, aber sanfter als in Steibis. Die Fairways wellen sich durch die Landschaft, alte Bauernhöfe stehen in Sichtweite. Hier ist es oft ruhiger als auf den großen Plätzen im Oberallgäu. Man hat mehr Platz für sich. Ein besonderer Reiz ist der Blick Richtung Süden, wo man bei klarer Sicht die Königsschlösser erahnen kann – zumindest weiß man, dass sie da sind. Die ganze Atmosphäre ist hier sehr bodenständig. Im Clubhaus, einem umgebauten Bauernhof, geht es herzlich zu. Da sitzt man dann unter altem Gebälk, isst eine Suppe und schaut durch die kleinen Fenster hinaus, wie der Nebel langsam über den See zieht. Das hat Atmosphäre.
Praktisches für die Runde im Gebirge
Golfen im Allgäu erfordert ein bisschen mehr Planung als im Flachland. Das Wetter ist der Chef. Innerhalb von zwanzig Minuten kann es von strahlendem Sonnenschein zu einem handfesten Gewitter umschlagen. Eine gute Regenbekleidung gehört also zwingend ins Bag, egal was die Wetter-App am Morgen behauptet hat. Auch die Temperaturunterschiede sind nicht zu unterschätzen. Wenn man morgens um acht Uhr abschlägt, liegt oft noch der Tau schwer auf den Grüns und es ist empfindlich frisch, während man um zwölf Uhr in der prallen Sonne brät. Das Zwiebelprinzip bei der Kleidung ist hier kein Modetrend, sondern Überlebensstrategie.
Noch ein Wort zur Etikette: Die Allgäuer sind entspannt, aber sie mögen es nicht, wenn man sich aufspielt. Ein freundliches "Servus" oder "Griaß di" öffnet mehr Türen als das neueste Equipment. Und wenn der Flight hinter einem schneller ist, lässt man ihn durchspielen. Das gehört zum guten Ton, besonders wenn man selbst gerade nach Luft schnappt, weil der Anstieg zum 14. Grün doch steiler war als gedacht. Viele Plätze bieten übrigens Kooperationen an, wie die "Golfcard Allgäu". Wer also eine Woche Zeit mitbringt, sollte sich das ansehen, denn einen einzelnen Platz herauszupicken, wird der Vielfalt der Region eigentlich nicht gerecht.