Unterallgäu & Wellnessregion

Pilgern "Light": Ein Wochenende der Stille auf dem Jakobsweg im Unterallgäu

Keine Bergetappen, keine Blasen an den Füßen. Die Abschnitte des Jakobswegs rund um Bad Grönenbach und Ottobeuren bieten sanftes Hügelland, barocke Pracht und jede Menge Stille. Perfekt für ein Wochenende ohne Stress.

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Zwischenablage

Dass Pilgern nicht immer schweißtreibend sein muss, zeigt sich im Unterallgäu auf eindrucksvolle Weise. Der bayerisch-schwäbische Jakobsweg teilt sich bei Augsburg in zwei Varianten auf und führt in seiner östlichen Route über Bad Wörishofen und Ottobeuren nach Bad Grönenbach, bevor beide Wege sich wieder vereinen und Richtung Bodensee weiterziehen. Besonders die Etappen zwischen Markt Rettenbach, Ottobeuren und Bad Grönenbach sind wie geschaffen für Pilger, die es gemächlich angehen wollen. Die Landschaft hier ist hügelig, aber nicht fordernd. Keine Anstiege, die einen ins Schnaufen bringen, keine Kletterpassagen. Stattdessen: weite Blicke über sanft gewelltes Grasland, Wälder, die zum Durchatmen einladen, und immer wieder kleine Kapellen am Wegesrand.

Die Markierung erfolgt mit einer gelben Jakobsmuschel auf weißem Grund, an Abzweigungen mit Schildern, im Verlauf mit Aufklebern. Mancherorts findet man noch die älteren blauen Strahlenbündel-Markierungen. Wer ein verlängertes Wochenende plant, kommt hier auf seine Kosten. Die etwa 24 Kilometer von Markt Rettenbach nach Bad Grönenbach lassen sich bequem an einem Tag bewältigen, wobei man durchaus Pausen für die diversen Highlights einplanen sollte. Alternativ kann man die Strecke auch in zwei kürzere Tagesetappen aufteilen und in Ottobeuren übernachten.

Ottobeuren als spirituelles Zentrum

Wenn man ehrlich ist: Ottobeuren allein ist die Reise wert. Die Benediktinerabtei, gegründet bereits im Jahr 764, thront mit ihren markanten 82 Meter hohen Zwillingstürmen weithin sichtbar über dem Ort und gilt als größte barocke Klosteranlage Deutschlands. Manche nennen das Ensemble auch den "Schwäbischen Escorial", was schon etwas über die schiere Dimension verrät. Die zwischen 1737 und 1766 erbaute Basilika St. Alexander und Theodor überwältigt beim Betreten regelrecht. Stuck in Weiß und Gold, über 1.200 Engel und Putten, farbenprächtige Deckenfresken der Tiroler Maler Johann Jakob und Franz Anton Zeiller, glänzend polierter Stuckmarmor an Säulen und Altären.

Interessant dabei ist die ungewöhnliche Nord-Süd-Ausrichtung der Kirche, bedingt durch die Kreuzform der gesamten Klosteranlage. 1926 erhob Papst Pius XI. die Klosterkirche zur Basilica minor. Die beiden berühmten barocken Chororgeln von Karl Joseph Riepp – die viermanualige Dreifaltigkeitsorgel mit 47 Registern und die zweimanualige Heiliggeistorgel mit 27 Registern – kann man zwischen Mitte Mai und Mitte Oktober samstags um 16 Uhr in der Reihe "40 Minuten Orgelmusik" erleben. Wer Glück hat, erwischt eine der samstäglichen Führungen um 14:15 Uhr durch einen der Mönche. Die Basilika ist täglich von 9 Uhr bis Sonnenuntergang (spätestens 20:30 Uhr, im Winter bis 17 Uhr) geöffnet.

Das Klostermuseum mit dem prunkvollen Kaisersaal war zeitweise wegen Renovierungsarbeiten geschlossen, sollte aber wieder zugänglich sein. Der Kaisersaal mit seinen 16 überlebensgroßen Habsburger Kaisern zwischen 32 Marmorsäulen diente schon Herbert von Karajan und Leonard Bernstein als Konzertsaal. Heute leben etwa 14 Mönche im Kloster, die nach der Regel des Heiligen Benedikt leben und mehrmals täglich zum Chorgebet zusammenkommen.

Von Mussenhausen nach Ottobeuren

Auf dem Weg von Markt Rettenbach nach Ottobeuren kommt man an der Wallfahrtskirche Maria vom Berge Karmel in Mussenhausen vorbei, einem Kleinod, das man nicht unterschätzen sollte. Die Kirche entstand aus einer kleinen Holzkapelle, die 1649 von Philipp Schropp nach einer Vision erbaut wurde. Als sich Gebetserhörungen herumsprachen, entwickelte sich ein regelrechter Pilgerstrom. Heute beeindruckt die prunkvoll ausgestattete Wallfahrtskirche mit ihren Fresken von Johann Baptist Enderle und den marianischen Symbolen. Das Patroziniumsfest findet alljährlich am dritten Sonntag im Juli statt, mit feierlicher Lichterprozession am Vorabend. Die Kirche ist tagsüber geöffnet.

Ab Mussenhausen geht's weiter über Eheim, Hofs und Guggenberg Richtung Ottobeuren. Der Weg ist abwechslungsreich: mal Teerstraßen, mal Waldpfade, mal Wiesenwege. Das Profil bleibt hügelig, aber moderat. Kurz vor Ottobeuren erreicht man einen der optischen Höhepunkte: Die Abtei wird sichtbar und dominiert die Landschaft. In Ottobeuren selbst kann man an der Klosterpforte einen Pilgerstempel abholen und in einem der Cafés oder Restaurants einkehren. Das Klostercafé (täglich 9 bis 18 Uhr geöffnet) bietet kleine Speisen, Kaffee und frische Kuchen.

Weiter nach Bad Grönenbach

Von Ottobeuren führt der Weg über Niebers, vorbei an der Gustavquelle und den sogenannten "Geologischen Orgeln" – Nagelfluhformationen, die durch Kiesabbau freigelegt wurden und heute als Geotop geschützt sind. Oberhalb der Geologischen Orgeln gibt's eine Bank zum Rasten. Der Weg unterquert bei Schulerloch die Autobahn A7 und erreicht schließlich Bad Grönenbach, wo sich die Ost- und die Westroute des bayerisch-schwäbischen Jakobswegs wieder vereinen.

Bad Grönenbach selbst ist seit 1954 Kneippkurort und erhielt 1996 das höchste Prädikat "Kneippheilbad". Sebastian Kneipp lernte hier 1842/43 Latein und legte damit den Grundstein für sein späteres Wirken. Auch die Kräuterkunde eignete er sich in Bad Grönenbach an. Der Ort liegt eingebettet in die sanfte Hügellandschaft des Unterallgäus, etwa 13 Kilometer südlich von Memmingen auf 718 Metern Höhe. Die Stiftskirche Philippus und Jakobus im Ortskern hält ebenfalls einen Pilgerstempel bereit.

Praktisches für die Planung

Wer ein Wochenende auf diesem Abschnitt plant, hat mehrere Optionen. Entweder man nutzt öffentliche Verkehrsmittel – Bad Grönenbach hat zwar einen Bahnhof an der Linie Ulm-Oberstdorf, der liegt allerdings drei Kilometer außerhalb, weshalb viele bis Memmingen fahren und von dort den Bus nehmen. Markt Rettenbach ist ebenfalls gut per Bus erreichbar. Alternativ parkt man das Auto in Bad Grönenbach und nimmt den Bus zurück nach Markt Rettenbach für den Start.

Übernachtungsmöglichkeiten gibt's sowohl in Ottobeuren als auch in Bad Grönenbach reichlich. In Ottobeuren kann man im Gästehaus der Benediktinerabtei "Tage der Stille" verbringen und am Chorgebet der Mönche teilnehmen – für Frauen und Männer gleichermaßen. In Bad Grönenbach reicht das Angebot von 4-Sterne-Superior-Hotels über gemütliche Pensionen bis zu Ferienwohnungen. Das Allgäu Resort etwa liegt ruhig am Ortsrand auf dem Stiftsberg, nur 500 Meter vom Ortszentrum entfernt. Wer's einfacher mag, findet inhabergeführte Gästehäuser wie das Gästehaus Bochtler oder die Pension Schlemmertanne.

Die beste Zeit für diese Pilgerroute ist von Mai bis Oktober. Im Winter sind die Wege zwar begehbar, aber die Tage sind kürzer und viele Sehenswürdigkeiten haben eingeschränkte Öffnungszeiten. Die Strecke ist auch für weniger geübte Wanderer machbar – festes Schuhwerk genügt, Wanderstiefel sind nicht zwingend nötig. Man sollte allerdings Proviant und ausreichend Wasser mitnehmen, da zwischen den Orten nicht überall Einkehrmöglichkeiten vorhanden sind.

Die Stille als Geschenk

Was diesen Abschnitt des Jakobswegs auszeichnet, ist weniger die sportliche Herausforderung als vielmehr die Möglichkeit zur inneren Einkehr. Die Wege führen oft durch Wälder und über ruhige Feldwege, wo man stundenlang keiner Menschenseele begegnet. Das meditative Gehen, das rhythmische Setzen eines Fußes vor den anderen, entfaltet hier seine volle Wirkung. Man kommt runter, wie es so schön heißt. Die Gedanken sortieren sich, der Alltagsstress fällt ab. Und dann, nach Stunden der Stille, steht man plötzlich vor der barocken Pracht Ottobeurens – ein Kontrast, der fast den Atem raubt.

Der Jakobsweg im Unterallgäu ist kein Weg für Abenteurer oder Gipfelstürmer. Es ist ein Weg für Menschen, die Ruhe suchen, die sich selbst begegnen wollen, ohne dabei an ihre körperlichen Grenzen zu gehen. Ein Wochenende reicht, um zu spüren, was Pilgern bedeuten kann – auch ohne die 800 Kilometer bis Santiago.

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